Karol Szymanowski hatte ein schweres Erbe zu tragen als auserkorener und überdies legitimer Nachfolger von Frédéric Chopin in Polen. « Szymanowski kennt noch die Spätromantik, aber er bewegt sich immer an der Grenze der Tonalität und schreitet bereits voran in die Moderne », notiert Franziska Pietsch im Booklet dieser neuen gemeinsamen Produktion mit dem Pianisten Detlev Eisinger.
In diesem Spagat, diesem Brückenschlag zwischen Altem und Neuem liegt Szymanowskis Originalität. Sie klar und unmissverständlich darzustellen, fordert den ganzen Interpreten. Szymanowskis Triptychon ‘Mythen’ ist nicht nur technisch äußerst anspruchsvoll, sondern verlangt auch vollkommenes musikalisches Engagement, quasi eine Verschmelzung mit dem Werk.
Mit den ersten Klängen der ‘Drei Gedichte’ op. 30 kann man sich der Sogwirkung, die das Spiel des Duos Pietsch/Eisinger entfaltet, nicht mehr entziehen. Man folgt blindlings beiden Musikern durch die Mäander seelischer Empfindlichkeiten.
Franziska Pietsch lässt ihren Bogen in poetischer Entspanntheit gleiten. Kein Akzent ist übertrieben, keine Phrase bleibt unausgekostet. Szymanowskis Musik blüht in ihrer prächtigsten Lyrik und Expressivität auf – mal als ein zärtlicher, intimer Hauch, mal als ein innerer Aufschrei und Wettstreit dissonanter Gefühle.
Nicht minder mitreißend ist Francks A-Dur-Sonate, die hier in robuster Romantik, stürmisch drängend und mit melodischem Schmelz erklingt.
Gegensätze vereint
♪♪♪♪♪ – Rezension von Uwe Krusch
Für die Geigerin Franziska Pietsch ist César Franck der Protagonist der romantischen Welt, die einen so heilen und geschlossenen Eindruck macht. Szymanowski dagegen ist einerseits noch mit dieser Stimmung vertraut, andererseits bricht er neuen Ausdrucksformen und Techniken Bahn und eröffnet damit der Komposition von Violinwerken im Zwanzigsten Jahrhundert neue Möglichkeiten, die auch tonale Weiterungen einschließen. Damit ist er auch ein Neubegründer polnischer Kunstmusik. In seine Kompositionen fließen musikalische Momente aus aller Welt ein, die er bei Reisen aufsaugte.
Franziska Pietsch, in ihrer Jugend noch in der DDR und deren System aufgewachsen, kam 1986 in die Bundesrepublik. Neben Jahren als Konzertmeisterin ist sie Kammermusikerin. Detlev Eisinger erhielt seine Ausbildung in München und begann anschließend seine internationale Konzerttätigkeit. Seit 2012 treten sie im Duo auf.
Wenn man die Gedanken der Geigerin zu den Gegensätzen liest, ist man verwundert, dass diese auf der Aufnahme gar nicht so exzessiv deutlich werden. Der Franck wird ganz klar in diesem wohligen Kopfkino dargeboten. Die Künstler sind natürlich intelligent genug, keine kitschige Romantik zu liefern, sondern einfach eine rundum in warme Farben getauchte Landschaft oder Stimmung. Dabei fällt auf, dass sie den Einstieg in die Franck-Sonate mit großer innerer Ruhe und Entspanntheit angehen, wo andere von vornherein kräftig artikulieren. Die Intensität entwickelt sich erst im Verlaufe der Darbietung.
Im Hinblick auf den behaupteten Gegensatz zwischen den beiden Komponisten entwerfen die Künstler auch beim Szymanowski durchaus intensive romantisch wirkende Klänge, die auch die technischen und gestalterischen Neuigkeiten nicht verschweigt. Aber diese Aufnahme ist im Vergleich zu anderen so rund und volltönend, dass man jedem Hörer, der eigentlich vor neueren Tönen zurückschreckt, diese Interpretation wärmstens empfehlen kann.