Bernd Alois Zimmermann wird als Komponist zwischen den Epochen bezeichnet, weil er weder vom Stil noch vom Alter her zu den Komponisten der Weimarer Zeit noch zu den jüngeren Serialisten gerechnet werden kann.Allerdings hat er die Entwicklung über Neoklassizismus, Atonalität, Zwölftontechnik und serielle Musik zunächst nachvollzogen, dann aber seinen eigenen Weg gewählt, der diese Einflüsse aufnimmt, aber insbesondere den Bezug auf Vorbilder auch durch Zitate herausstellt.
Diese Collagentechnik ist am prägnantesten in dem Ballett ‘Musique pour les soupers de Roi Ubu’ ausgebildet, bei der das Ohr die Vielzahl der Zitate aus Werken seit der Renaissance bis zu Jazz und Pop zumindest beim erstmaligen Hören gar nicht erfassen kann, sofern man denn überhaupt alle Zitate kennt. Auf alle Fälle ist diese Ballettmusik ungemein amüsant und beschwingt. Das Cellokonzert und das Orchesterwerk Stille und Umkehr entstammen auch der letzten Phase des Komponisten kurz vor seinem Freitod.
Die Musik ist in beispielgebenden Aufnahmen des Radio-Sinfonie-Orchester Stuttgart des SWR aufgenommen worden. Geleitet wird das Ensemble von einem der engen Weggefährten Zimmermanns, nämlich Bernhard Kontarsky, der wie seine Brüder ein hartnäckiger Fürsprecher und Aufführender des Komponisten ist.
Als Solist am Cello hat sich Jan-Filip Tupa einen Wunschtraum erfüllt, da für ihn die moderne Musik, speziell auch das Werk Zimmermanns, von überragender Bedeutung ist. Diese große Nähe und Verbindung merkt man dem Spiel des Cellisten an, der das Werk geradezu mit Herzblut bewältigt. Sascha Reckert und Philipp Marguerre ergänzen mit ihren Glasharfen dieses Konzert, das zu den wenigen Solopassagen dieses Instrumententypus gehört.
Neben die eingespielten Werke treten in dieser Reihe ‘Künstler im Gespräch’ noch zwei CDs mit Sprachaufnahmen. Zum einen handelt es sich um ein von Elke Heidenreich geschriebenes und gesprochenes Märchen, das als Zwischentext für das Ballett gedacht ist, wie der Komponist es vorsah. Auf der CD wird der Text nachgereicht, aber man kann seinen CD-Spieler so programmieren, dass die Texte zwischen die Musiksätze eingefügt werden. Der Text gibt der dem Hintergrund der Entstehung des Werkes zugrundeliegende Situation eine neue Gestalt, lässt aber die Leichtigkeit und das Augenzwinkern vermissen.
Des Weiteren werden ein Interview mit dem Komponisten und ein längeres mit seinem Schüler und auch Komponisten York Höller sowie ein ausführliches achtzigseitiges zweisprachiges Begleitbuch beigegeben. Das Interview von Josef Herbort mit Zimmermann leidet leider unter der Technik, da die Aufnahme einen dumpfen etwas unklaren Klang hat. Ansonsten gibt es einen guten Einblick in die Persönlichkeit des Komponisten, der auch seine heiteren Seiten zeigt, die ihm nicht immer zur Verfügung standen.
Das weitaus längere Gespräch zwischen Mirjam Wiesemann und York Höller bietet natürlich mehr Raum für Betrachtungen und Bewertungen des Porträtierten. Höller kann als Zeitzeuge den Menschen und das Werk in zahlreichen Facetten und auch Anekdoten schildern und die Beziehungen zu anderen Musikern wie den Brüdern Kontarsky und Pierre Boulez ausleuchten. Das intensive, am Ende auch entspannt fröhliche Gespräch wirft natürlich auch ein Licht auf den eloquenten Interviewten.
Ob einem dieses Format der Kollagen aus Musik und Gespräch gefällt, mag sich jeder selber überlegen. In Zeiten des Hörbuchs bietet es die Chance, einen Komponisten abseits seiner Musik hörend kennen zu lernen.