Mit 18 Jahren, 1842, schrieb Anton Bruckner seine erste Messe, und diese Windhaager Messe war seine erste größere Komposition. In der zweiten Hälfte der Sechziger Jahre entstanden die drei großen Moll-Messen, quasi zeitgleich mit der ersten Symphonie und damit an der Scharniere zwischen den Phasen der geistlichen Vokalmusik und der Symphonik.
Die f-Moll-Messe entspricht ganz Bruckners religiöser Haltung: Der sündige Mensch steht ehrfürchtig und büßend dem guten und barmherzigen Gott gegenüber. Diesen Kontrast bringt der Komponist mit zwei Methoden zum Ausdruck, die Ernst Decsey Verzückungs- und Misereregebärde genannt hat. Sie zeigen uns den schildernden und den bekennenden Bruckner. Decsey hat es so formuliert: « Er bezeugt sich oder begleitet ausmalend die heilige Handlung. »
Diesen Kontrast herauszuarbeiten scheint für Robin Ticciati, der von 2010 bis 2013 Erster Gastdirigent der Bamberger Symphoniker war, eine der wichtigsten Gestaltungsideen seiner Interpretation zu sein.
Sehr vergeistigt, zart und innig-demütig beginnt das ‘Kyrie’, schwingt sich mehrmals zu Ehren Gottes auf und sinkt immer wieder ‘nieder’, um mit einem leise formulierten Fragezeichen zu enden.
Der Gloria-Preisgesang hat bei Ticciati viel Enthusiasmus, ohne, dass das auf Kosten des ausgeprägten Lyrismus dieser Musik gehen würde. Im Adagio des ‘Qui tollis’ bleibt das Flehen sehr zuversichtlich und mündet in den jubelnden Schluss.
Zwischen der Sachlichkeit des ‘Credo’-Beginns, dem zart-verehrenden ‘Incarnatus’, dem Schmerz im ‘Crucifixus’ und dem Glanz des ‘Et resurrexit’ entstehen in dieser Aufnahme packende dramatische Gegensätze.
Das ‘Sanctus’ beginnt in der tiefen Ehrfurcht des gläubigen Komponisten und bringt erst ab dem ‘Dominus Deus Sabaoth’ frischen Jubel.
Unter Ticciatis inspirierter Leitung und mit der Betonung des Lyrismus wird das ‘Benedictus’ zur mystisch-seligen Musik, wie man sie später in den symphonischen Adagios und insbesondere in der Achten Symphonie wiederfindet. Das ‘Agnus Dei’ ist stimmungsmäßig ein Pendant zum Kyrie, nur, und allem Moll zum Trotz, mit mehr Zuversicht. Ticciati betont das mit einem sehr sanften, sinnlichen Wohlklang, und einer, wie in allen anderen Messteilen, perfekten Balance zwischen Orchester und Stimmen. Die Bitte nach Frieden wird hier zum Frieden selbst. Und so werden, bei allem Jubel, der gelegentlich zu hören ist, vor allem Ruhe und Besinnlichkeit zu dominierenden Stimmungsquellen für diese in allen Hinsichten exzellente Aufführung.
Der Chor des Bayerischen Rundfunks wartet in dieser Einspielung mit einer ebenso beeindruckenden Leistung auf wie das Orchester, und die Solisten, von denen der Dirigenten viel zarten Gesang verlangt, werden ihrer Aufgabe vollauf gerecht. Ticciati scheint sie eh als Teil des Chors zu sehen, dem ohnehin die Hauptaufgabe zufällt.
If Robin Ticciati’s wonderful performance of Bruckner’s Third and last mass does not lack any jubilatory effect, it is the conductor’s sense for lyricism and sweet, quietly reverential music of which this mass has an abundance of, that marks his magnificent interpretation.