
Von entgegengesetzten Gesichtspunkten blicken die beiden Werke dieses Albums und ihre Komponisten auf einen Augenblick. Ferrari schaut bewusst auf den Moment mit den Polen Vergänglichkeit und Lust im Hier und Jetzt. Kalitzke betrachtet einen Augenblick der Vergangenheit, der bewahrt wurde und jetzt wieder besehen wird und lernende Rückblicke erlaubt.
Dieser gefangene Moment findet sich in einer Zeitkapsel, beispielsweise im Fundament eines Gebäudes. Dort enthaltene Gegenstände oder Schriften bezeugen die Zeit ihrer Versiegelung. Der Blick darauf ermöglicht die Auseinandersetzung damit, um sich nicht zu wiederholen. Als Parabel darauf sieht Kalitzke das Bild des mittelalterlichen Totentanzes, des Seit an Seit von Lebenden und Toten. In Zeitkapsel fügt er Musik unterschiedlicher Herkunft und verschiedener Epochen zusammen, woraus ein Gespinst entsteht, dass Früheres in der jetzigen Tonwelt oft nur schemenhaft aufblitzen lässt.
Ferrari, vor allem als Vertreter der Musique concrète für seinen Umgang mit Tonbandtechnik bekannt, schuf mit seinem Werk Der Geschichte von Lust und Leid oder weiter formuliert von Vergnügen und Trostlosigkeit ein dreisätziges Orchesterpanorama, das Vergänglichkeit des innerweltlichen Augenblicks in den Fokus nimmt, des Bildes der körperlichen Begehrten, das unerreichbar bleibt.
Schon diese Skizzen der Kompositionen deuten an, dass es sich um kraftvolle Musikgemälde handelt, die trotzdem von zartem Duft durchhaucht sind. Beide Sichten entwickeln sich als groß angelegte Betrachtungen, was sowohl die Besetzungen wie auch die Dauer angeht. Das Beiheft erläutert die Ideen hinter den Werken aufschlussreich und ausführlich.
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks wird in beiden Fällen von Johannes Kalitzke geführt. Bei dem eigenen Werk des dirigierenden Komponisten führt zusätzlich Sebastian Schottke präzise die unabdingbare Klangregie.
Das Orchester entwickelt die Stücke mit der Sicherheit des in modernen Texturen erfahrenen Klangkörpers mit opulenter Süffigkeit, ohne die strukturelle Detailarbeit zu vernachlässigen, so dass die klare Erzählstruktur gesichert ist und das thematische Geflecht bei Ferrari nicht die Darstellung beeinträchtigt. Mit der gekonnten Stabführung durch Kalitzke erscheint es als Leichtes, die erlesenen instrumentalen Beiträge der verschiedenen Musiker im Ensemble zu tragenden und einnehmenden Klangelementen zu bündeln.
The two works and their composers look at a moment from opposite points of view. Ferrari consciously looks at the moment with the poles of transience and desire in the here and now. Kalitzke looks at a moment in the past that has been preserved and is now being looked at again, allowing for a learning retrospective.
This trapped moment can be found in a time capsule, for example in the foundations of a building. The objects or writings contained there bear witness to the time when they were sealed. Looking at it allows us to come to terms with it so as not to repeat ourselves. Kalitzke sees the image of the medieval dance of death, of the living and the dead walking side by side, as a parable. In Zeitkapsel, he brings together music of different origins from different eras, creating a tapestry that often only gives a shadowy glimpse of the past in the present world of sound.
Ferrari, known above all as a representative of musique concrète for his use of tape technology, created a three-movement orchestral panorama in his work The Story of Pleasure and Sorrow or, more broadly, of Pleasure and Desolation, which focuses on the transience of the inner worldly moment, the image of the physically desired that remains unattainable.
These sketches of the compositions already indicate that these are powerful musical paintings, which are nevertheless suffused with a delicate fragrance. Both views develop as large-scale observations in terms of both instrumentation and duration. The accompanying booklet explains the ideas behind the works in an informative and detailed manner.
In both cases, the Bavarian Radio Symphony Orchestra is conducted by Johannes Kalitzke. In the case of the conducting composer’s own work, Sebastian Schottke also precisely directs the indispensable sound technique.
The orchestra develops the pieces with the assurance of an ensemble experienced in modern textures in opulent sweetness, without neglecting the structural detail work, so that the clear narrative structure is assured and the thematic interweaving in Ferrari does not detract the performance. With Kalitzke’s skillful baton conducting, it seems easy to bundle the exquisite instrumental contributions of the various musicians in the ensemble into supporting and engaging sound elements.