Der Hof von Mantua war am Wechsel vom sechszehnten zum siebzehnten Jahrhundert einer der bedeutendsten und kunstsinnigen Höfe seiner Zeit. Vielfältige Anforderungen ergaben sich daraus, dass sowohl weltliche als auch geistliche Musik zur Erbauung der Herrscher gewünscht war. Um beiden Aufgaben gerecht zu werden, unterhielt der Hof für jeden der beiden Bereiche ein eigenes Ensemble mit einem eigenen Leiter.
Claudio Monteverdi war der weltliche Teil zugeordnet. Sein Bestreben, die geistliche Musik zu übernehmen, war nicht erfolgreich. Vor diesem Hintergrund könnte sich jedoch die großartige Komposition der Vespern aus dem Jahre 1610 erklären, die als Bewerbung seiner großen Kunstfertigkeit auch bei der kirchlichen Musik gesehen werden sollte. Die Entstehungsgeschichte ist unklar. Einige sehen hierin eine ursprünglich zu Ehren der Heiligen Barbara entstandene Sammlung, deren Verehrung das wichtigste Fest am Hofe in Mantua war. Dafür sprechen auch manche spezifische Teile der Komposition. Die erfolglose Bewerbung für die Kirchenmusik habe dazu geführt, dass Monteverdi Änderungen vorgenommen habe, um einen allgemeineren Charakter zu erreichen, der eine Aufführung auch anderweitig erlaube. Andere Indizien sprechen dafür, dass es sich direkt um eine geschlossene Komposition zugunsten der Heiligen Maria handeln könnte.
Jedenfalls handelt es sich um eine ausgefeilte Komposition, in der Monteverdi bekannte Formen und Mittel in einer neuen und unerhörten Gestaltung und Kombination einsetzt. Damit komponiert er auf der Höhe der Zeit war und blickt sogar in die Zukunft.
John Butt hat mit dem ‘Dunedin Consort’, einem doppelt, bei den Tenören vierfach besetzten Solistenchor, und den His Majestys Sagbutts and Cornetts nun seine Sicht der Dinge vorgelegt. Neben einer sehr hohen Stimmung, deren Verwendung im Beiheft erläutert wird, fällt diese Interpretation durch ihre Herausstellung des polyphonen Charakters der Musik auf. Der helle Klang wird intensiv genutzt, um die unabhängig laufenden Stimmen klar herauszuarbeiten und gegeneinander zu stellen. Im Vergleich zu manch anderer Sicht wie der von Jordi Savall und seinen Ensembles wird dadurch ein aufgerauter Klang erzeugt, der den gleichmäßigeren Wohlklang anderer Darstellungen vermissen lässt. Dadurch öffnen sich natürlich neue Höreindrücke, die die Mehrstimmigkeit hochleben lassen. Sowohl die Sänger mit ihren bis zu zehnstimmig gesetzten Chören als auch die Instrumentalisten geben der Musik eine Lebendigkeit und einen Farbenreichtum, der besticht.