Alexander Glazunov (1865-1936), der Lieblingsschüler von Rimsky-Korsakov, komponierte bis zu seinem 40. Geburtstag 83 Werke. Dann wurde er Direktor des St. Petersburger Konservatoriums und schaffte bis zu seinem Lebensende nur noch 27 weitere Stücke. Seine Aufgabe als Konservatoriumsdirektor, seine Probleme mit dem übermäßigen Genuss von Alkohol und die Auswanderung im Jahre 1928 waren an diesem Niedergang schuld. Als er 1936 in Neuilly-sur-Seine starb, war die Musikwelt erstaunt, denn man wähnte ihn schon seit längerem tot.
Sein Ballett ‘Die Jahreszeiten’ entstand im Jahre 1900 und gilt als das letzte Ballett in der Tchaikovsky-Tradition. Hier direkt tonmalerisch, dort eher Stimmungen beschreibend ist es ein abwechslungsreiches Stück, das mit dem Winter beginnt und dem Herbst endet. Winter und Sommer werden mit je fünf Nummern dargestellt, das Frühjahr ist mit einer einzigen knapp sechs Minuten langen Musik sehr kurz, während der Herbst nach einem furiosen Bacchanal zur Reminiszenz genutzt wird, in der die anderen Jahreszeiten noch einmal Revue passieren.
Die Entscheidung, die der Dirigent treffen muss, ist, ob er die Musik romantischer oder klassischer behandelt. Dmitrij Kitajenko hat sich für das Klassische und damit ausdrucksmäßig für ‘weniger ist mehr’ entschieden. So wird die Musik entfettet und entzuckert, behält aber mit weitgehend moderaten Tempi und federleichten Texturen auch ihre genuine Eleganz und kann so ihren ganzen Charme entfalten. Den Solisten im Orchester bietet die Partitur reichlich Gelegenheit zu glänzen, und die Zagreber Philharmoniker zeigen das hohe Niveau, das sie unter ihrem künstlerischen Leiter Dmitrij Kitajenko erreicht haben. In dieser Aufnahme – und ich kenne keine schönere – kann man Glazunovs Musik im Ohr wie das feinste Konfekt zergehen lassen.
Ab den ersten Takten von Tchaikovskys Streicherserenade wird das Gehör von einem sehr lyrischen, wunderschön melodischen Klang umschmeichelt. Purer Gesang!
Wo andere Dirigenten mich in rezenten Veröffentlichungen mit einem pathostriefenden, gefühlsschwangeren und heftig akzentuierten Dirigieren enttäuscht hatten, bleibt Kitajenko mit der Einfachheit des Diskurses ein sehr überlegener Interpret. Mit der Wiederholung der Anfangsmelodien endet der erste Satz leicht melancholisch.
Schwebend beginnt der Walzer, und der Satz wird genau so leicht und zart bis zum Ende durchgeführt.
Auch in der Elegie drückt Kitajenko nicht auf die Gefühlstube. Er arbeitet vielmehr an allen Gesangslinien und lässt diese Melodienstränge singend sich in totaler Transparenz ineinander verweben. Kein Gramm Fett setzt die Musik so an, sie bleibt voller Innigkeit und Herzensgüte sowie, in ihrer ganzen Natürlichkeit, von bezaubernder, unaffektierter, aber doch bewegender Ausdruckskraft. Das ist alles sooo richtig, sooo optimal gestaltet, ein Musterbeispiel für vollendetes, einem untrüglichen inneren Atem entspringenden Dirigieren. Es ist ein Dirigieren, das die Musik ganzheitlich erfasst und in dem keine Geste erfolgt, ohne die vorige zu vergessen und die nächste schon im Hinterkopf zu haben, wo sich alles logisch und völlig organisch entwickelt.
Nachdem mir alle Serenaden-Einspielungen der letzten Jahre mehr oder weniger starke Verdauungsschwierigkeiten bereitet hatten und ich immer den Wunsch nach einer größeren Natürlichkeit geäußert hatte, ist dieser Wunsch nun endlich in Erfüllung gegangen, weil Kitajenko auch diesem Werk seine ihm ureigene Genialität angedeihen lässt, es mit einer hinreißend bezaubernden und zutiefst lyrischen Interpretation zu dem macht, was andere der Musik verwehrt haben, einer StreicherSERENADE.