Mit der 1688 uraufgeführten biblischen Tragödie über die Liebe von David und Jonathan, dem Sohn König Sauls, schuf Charpentier eine Alternative zu den Nachbildungen antiker Tragödien, wie Lully sie vorgab. Charpentier verzichtet weitgehend auf Rezitative, also auf eine Handlung und konzentriert sich in Arien, Chören und Sinfonien auf die Psychologie der Personen. Damit wählte er einen höchst modernen Ansatz für die Komposition des religiösen Stoffes auf der Opernbühne. Auf weitere Besonderheiten geht der Begleittext in Englisch und Französisch ein.
In einem Prolog und fünf Akten, jeweils mit einer Deklamation eingeleitet, wird der Stoff ausgebreitet. König Saul ist dem Wahnsinn nah, als man ihm prophezeit, er werde mit seinem Sohn Jonathan auf dem Schlachtfeld sterben und David werde der neue König sein. Israeliten und Philister sind im Krieg, die in tiefer Liebe verbundenen Freunde David und Jonathan ringen um Frieden – doch der rasende Saul reißt den Sohn mit in seinen Untergang. Weitere Details der Handlung und der Text lassen sich dem Beiheft entnehmen.
Für das Werk sprechen eine starke Textvorlage und die mitreißende Musik von Charpentier. Großes Musiktheater voller Emotionen und psychologischer Spannung wollte aufgeführt werden. Im Unterschied zu anderen Aufnahmen des Werkes wählte Olivier Schneebeli nur Knaben- und Männerstimmen für die Gesangspartien, wobei die Solisten ehemals dem Chor angehörten. Mit dieser Aufnahme fasst Schneebeli seine drei Jahrzehnte dauernde Tätigkeit am Zentrum der Barockmusik in Versailles zusammen und würdigt den schon zu Lebzeiten im Hintergrund stehenden Komponisten.
Die Fokussierung auf die anwesenden Stimmen gibt der Interpretation einen individuellen Anstrich. Wenn auch die sehr gut ausgebildeten Sänger eine reife und intensive Darstellung abliefern, so sind sie doch noch nicht alle mit ihrer Stimmbildung am Höhepunkt angelangt, so dass man mit gewissen Abzügen zurecht kommen muss, die durch den gut trainierten Einsatz ausgeglichen werden.
Das Orchester liefert zu dem laufenden Duktus der Oper eine an der Spielgestaltung nicht nachlassende Musizierlust, die mit klanglicher Frische und zumeist gelungenem Zusammenspiel eine ausgetüftelte Basis für die jungen Stimmen bietet. So hat Oliver Schneebeli seine Idee der Umsetzung hier zu einem erfreulich hörbaren Gesamten zusammen gefügt, das zusammen mit der die akustischen Gegebenheiten bestens ausnutzenden Technik das positive Bild abrundet.
With his biblical tragedy about the love of David and Jonathan, the son of King Saul, which premiered in 1688, Charpentier created an alternative to Lully’s reproductions of ancient tragedies. Charpentier largely dispenses with recitatives, i.e. a plot, and concentrates on the psychology of the characters in arias, choruses and symphonies. He thus chose a highly modern approach for the composition of religious material on the operatic stage. The accompanying text in English and French provides further details.
The material is presented in a prologue and five acts, each introduced by a declamation. King Saul is on the verge of madness when he is told that he and his son Jonathan will die on the battlefield and that David will be the new king. Israelites and Philistines are at war, David and Jonathan, friends who are deeply in love, struggle for peace – but the furious Saul drags his son to his doom. Further details of the plot and the text can be found in the booklet.
A strong text and Charpentier’s stirring music speak in favor of the work. Great musical theater full of emotion and psychological tension wanted to be performed. In contrast to other recordings of the work, Olivier Schneebeli chose only boys’ and men’s voices for the vocal parts, with the soloists formerly belonging to the choir. With this recording, Schneebeli summarizes his three decades of activity at the Center of baroque music in Versailles and pays tribute to the composer, who was already in the background during his lifetime.
The focus on the voices present gives the interpretation an individual touch. Although the very well-trained singers deliver a mature and intense performance, they have not yet all reached the peak of their vocal development, so that one has to make do with certain deductions, which are compensated for by the well-trained effort.
The orchestra provides an unflagging passion for music-making to the opera’s flowing style, offering a sophisticated basis for the young voices with a fresh sound and mostly successful interplay. Oliver Schneebeli has thus combined his idea of realization here into a pleasingly audible whole, which, together with the technology that makes the best possible use of the acoustic conditions, rounds off the positive picture.