Dem Rezensenten liegt neben den CDs mit dem beigelegten Booklet eine 32seitige Auseinandersetzung des Interpreten mit dem Objekt der Einspielung vor, die mit einem feixenden Bachportrait und der Frage ‘… a HiP interpretation?’ betitelt ist. Anders als der deutschsprachige Leser aus der Kombination Bild und Text schließen mag, ist hier nicht eine hippe Deutung gemeint, sondern der englischsprachige Ausdruck ‘historically informed performance’, also eine Aufführung in historisch informierter Lesart.
Diese dem normalen Käufer nicht zugängliche ‘Vorlesung’ zu diesen Werken widmet sich kundig und informativ dem Thema, für den mit der Materie nicht tiefer vertrauten Leser mit möglicherweise zu detaillierten Überlegungen. Für den Musiker sind diese sehr interessant. Neben dem persönlichen Antritt, etwa, dass Cotik eine moderne Geige mit synthetischen Saiten und einen zeitgenössischen Bogen nutzt, schildert er Überlegungen zu Notation, notwendiger Interpretationshilfe aus zeitgenössischen bzw. zeitnahen Quellen und viele Angaben zu Einzelaspekten, wie beispielsweise doppelter Punktierung. Das hat Hand und Fuß und wird man so stehen lassen können.
Aber was bedeutet das für die Interpretation, von der Cotik, wie jeder gute Musiker, sagt, dass es immer nur eine Momentaufnahme sein kann, die der Entwicklung unterliegt. Dann bleibt leider nur zu sagen, dass diese Momentaufnahme ein Schnappschuss ist und kein wertvolles Foto. Warum? Zum einen mag die gewählte Aufnahmeakustik dazu beitragen, einen schalen Eindruck zu hinterlassen. Sie ist sehr trocken und kurz. Wenn Cotik dann arpeggierte Akkorde spielt, die er auch noch kurz abreißt, dann wirkt das steinig bis lustlos. Insgesamt können zwar durchaus unterschiedliche Stimmungen erhört werden, aber die Fragen überwiegen. Wenn in der Ersten Partita beispielsweise die Corrente und das Double nach der Sarabande mit fließenden freien Bewegungen erstrahlen, mag man sich auf einer blühenden Alm mit schwirrenden Insekten wähnen, über denen die Lerche singt. Und jedes Presto oder jede andere schnelle Satz zeugt mit immensem Tempo und überwältigender Beweglichkeit von den technischen Fähigkeiten des Künstlers.
Aber andere Sätze, wie etwa die Fugen, so auch die der Ersten und der Zweiten Sonate, zeigen dann die Probleme der Annäherung auf.
Mit sprödem Ton und abgehackt schroffer Lesart, oder, wie im Andante der Zweiten Sonate, im schleppenden Gang eines müden Wanderers, der sich über spitzkantige Lavafelder schleppt, schafft Cotik eine Stimmung, die den Hörer vor den Kopf stößt. Die Ciaconna der Zweiten Partita erlebt bei Cotik dann wieder eine inspirierte Lesart, die leicht zugänglich ist, bevor die Mischung aus blühenden Landschaften und abweisenden Felsformationen weitergeführt wird.