Franz Schubert: Die Schöne Müllerin D. 795; Ian Bostridge, Tenor, Saskia Giorgini, Klavier; 1 CD Pentatone PTC 5186775; Aufnahme 04/2019, Veröffentlichung 06/11/2020 (61'30) - Rezension von Remy Franck
An diesen Müllerinnen-Zyklus muss man sich gewöhnen. So verzerrt wie Bostridges Gesicht auf dem Cover abgebildet ist, klingt auch die Aufnahme, überdramatisch, überakzentuiert, überrhetorisch. Diese Überbetonungen und Manierismen kann man, wie schon in der Winterreise (Rezension) durchaus als unpassend empfinden, mit dem Unterscheid, dass sie hier noch ausgeprägter sind. Dehnungen, Verformungen, Verfärbungen irritieren sehr. Die Ungeduld etwa setzt Bostridge sehr ungeduldig um, fast zynisch. Und sein Morgengruß ist so spöttisch, dass man nur staunen kann.
Solche sehr persönlichen Interpretationen folgen sich unablässig in diesem Zyklus, und Bostridges scharfer Gesang wird von Saskia Giorgini am Klavier genau so scharf untermalt. Beide schürfen tief im Gefühlsgehalt der Lieder und geben Stellungnahmen ab, die höchst erstaunlich sind. Spannend und verwirrend ist diese Müllerin etwas ganz Besonderes und in der Rezeptionsgeschichte des Werkes auch etwas Bereicherndes.
You have definitely to get used to this Schöne Müllerin. As distorted as Bostridge’s face is depicted on the cover, the recording is overdramatic, over-accentuated, over-rhetorical. These emphasis and mannerisms can be considered quite inappropriate, as in the Winterreise (review), with the difference that they are even more pronounced here. Elongations, deformations, discolorations are very irritating. The song Ungeduld (Impatience) for example, is sung very impatiently, almost cynically. And his Morgengruss is surprisingly mocking and ironic.
Such very personal interpretations follow each other incessantly in this cycle, and Bostridge’s sharp singing is underlined just as sharply by Saskia Giorgini on the piano. Both dig deep into the emotional content of the songs and make statements that are highly astonishing. Exciting and confusing, this Müllerin is something very special and also something enriching in the reception history of the work.