Von Mozarts ‘Entführung aus dem Serail’ gibt es überdurchschnittlich viele gute Videoaufzeichnungen, sowohl was die Inszenierung als auch die Musik anbelangt. Ganz wenige kleine Einschränkungen gibt es für diese Produktion aus Glyndebourne.
Viel Gutes ist von David McVicars Inszenierung zu sagen. Er verlegt die Handlung ins 18. Jahrhundert, aber im wirklich spektakulären Bühnenbild ist der Orient stets deutlich präsent. Dabei verhindern die Opulenz der Bühne und der Reichtum der Inszenierung nicht einen sehr fließenden Ablauf und eine Lebendigkeit der Handlung, wie man sie sich besser nicht wünschen könnte. Zwei Merkmale gibt es in McVicars Inszenierung. Sein Bassa Selim ist ein sehr aufgeklärt vorgehender Fürst. Er liebt Konstanze und er respektiert sie wie auch ihre Liebe, die Belmonte gilt. Selten hat man diese Figur so fein nuanciert gesehen wie hier.
Daneben sind die Personenführung und die Situationsdramatik absolut genial. McVicars Einfälle sind unwiderstehlich und sprühen oft von hinreißendem Humor.
Franck Saurel ist der Bassa Selim, und der Franzose beeindruckt trotz manchmal etwas zu französisch gefärbter Ausdrucksweise durch die Ausstrahlung, die er der Figur gibt.
An die leicht raue Belmonte-Stimme von Edgaras Montvidas muss man sich gewöhnen, aber letztlich imponiert der Sänger durch die Homogenität der Darstellung und der stimmlichen Ausstrahlung. Der britische Tenor Brenden Gunnel ist ein patenter Pedrillo und ein exzellenter Gegenspieler für den jungen deutschen Bass Tobias Kehrer, der dem Osmin eine völlig neue Dimension gibt: die der Jugendlichkeit. Er ist nicht nur ein herausragender Buffoschauspieler, er hat für die Rolle auch die richtige Stimme mit satter Tiefe und viel Agilität. Eine wirkliche Entdeckung!
Sally Matthews ist eine souveräne Konstanze, mit schöner und nuancenreicher, gleichzeitig schmerzgeprägter Stimme.
Die norwegische Sopranistin Mari Eriksmoen ist eine nicht weniger beeindruckende Blonde.
Zusammengehalten und vom exzellenten ‘Orchestra of the Age of Enlightenment’ unterlegt wird das Ganze von Robin Ticciati, der der Partitur ein Maximum an Energie und Lebendigkeit verleiht, ohne in irgendeiner Hinsicht zu übertreiben.
Dieser Dirigent beeindruckt mich immer mehr, und ich halte ihn in einem breiten Repertoire für einen der herausragenden Dirigenten unserer Zeit, besser jedenfalls als so mancher, der in letzter Zeit in eine Spitzenposition vorgedrungen ist.