André Jolivet war nicht Flötist, hatte nachweislich aber eine sehr persönliche Beziehung zur Flöte. Nur so lässt sich die Vielzahl der Werker erklären, die er für das Instrument geschrieben hat – Werke in allen Gattungen: von der Solosuite über die Sonate bis hin zum Concerto.
Hélène Boulègue spielt auf ihrem ersten Album Solowerke und Werke mit Klavier. Die ehemalige Flötistin des Philharmonischen Orchesters Luxemburg und jetzige Soloflötistin des SWR Symphonieorchesters in Stuttgart hat sich wahrlich nicht das einfachste Repertoire für ein CD-Debut herausgesucht. André Jolivets Musik macht es weder dem Flötisten noch dem Zuhörer einfach. Beide sind gefordert von der breiten Klangpalette, vom reichen Farbenspiel dieser Musik.
Für den Flötisten kommen noch die nicht unerheblichen technischen Anforderungen hinzu. All dies hat Hélène Boulègue nicht von ihrem Jolivet-Projekt abgehalten, weil es auch « ihre Musik ist ».
Diese Hingabe, dieses Engagement für Jolivets Musik spürt man in jeder Note, in jeder Phrase. Technisch steht die junge Flötistin mit phänomenaler Aisance über den Dingen, musikalisch nimmt sie uns mit auf eine klangliche Erlebnisreise, die reich an Emotionen, an Farbexplosionen ist. Hélène Boulègue hat die nötige Gestaltungskraft, die jeweiligen Werke als kleine Erzählung, als Kurzgeschichten zu interpretieren. Die stellenweise sperrige Musik löst sich in einem kohärenten Dialog, einerseits mit dem hervorragenden Pianisten François Dumont andererseits auch mit dem Zuhörer auf. Zu keinem Moment erlahmen Spannung und Intensität, Grundcharakteristika von Jolivets Musik.