Felix Diergarten hat in seiner aktuellen Bruckner-Biographie (Bärenreiter-Verlag) mit einigen, sich zäh haltenden Clichés aufgeräumt – darunter jenes des scheuen, unsicheren Einzelgängers. Wer die zweite Fassung der dritten Symphonie unter Gerd Schaller hört, dem tritt kein verunsicherter Komponist entgegen, sondern ein Tonkünstler, der genau weiß, was er will.
Gerd Schaller muss – aufgrund seines wegweisenden Bruckner-Marathons – inzwischen mit hohen Erwartungen leben, die er auch in dieser Aufnahme der Fassung von 1877 erfüllt.
Der Dirigent und seine Philharmonie Festiva spielen das Werk quasi in einem großen Atemzug. Gleich mit dem ersten Einsatz der Streicher ist man mitten im Geschehen. Es gibt kein Abwarten, kein Abtasten bis zum ersten thematischen Höhepunkt. Gerd Schaller hat offensichtlich ein gutes Gespür für die Tempi bei Bruckner und weiß des Komponisten Angabe « mäßig, mehr bewegt » passend auszudeuten. Generell nimmt Schaller zügigere Tempi, verleiht auch dadurch der Symphonie eine klare Struktur und Architektur. Zudem sind der anerkannte Bruckner-Spezialist und die Philharmonie Festiva auf höchste kammermusikalische Transparenz fokussiert. Diese Feingliedrigkeit macht die symphonische Größe des Werkes erst recht deutlich.
Das Orchester spielt kraftvoll, engagiert und differenziert und lässt Bruckners Musik – ohne großspurig aufzutreten – innerlich und äußerlich strahlen.
In his latest biography of Bruckner (Bärenreiter), Felix Diergarten has done away with a number of persistent clichés, including that of the shy, insecure loner. Listening to the second version of the Third Symphony under Gerd Schaller, one does not encounter an insecure composer, but an artist who knows exactly what he wants.
After his groundbreaking Bruckner marathon, Gerd Schaller now has to live with high expectations, which he also fulfills in this recording of the 1877 version.
The conductor and his Philharmonie Festiva play the work in one big breath, so to speak. From the first entry of the strings, you are right in the middle of the action. There is no waiting, no feeling out until the first thematic climax. Gerd Schaller obviously has a good feel for Bruckner’s tempi and knows how to interpret the composer’s indication of « moderate, more moving » appropriately. Schaller generally adopts brisker tempi, which also gives the symphony a clear structure and architecture. In addition, the renowned Bruckner specialist and the Philharmonie Festiva focus on maximum chamber music transparency. This delicacy makes the symphonic grandeur of the work all the more clear.
The orchestra’s playing is powerful, committed and differentiated, allowing Bruckner’s music to radiate inwardly and outwardly without being pretentious.