Uwe Krusch – Die Gesamteinspielung der Brucknersinfonien mit allen Fassungen bietet nunmehr nach sechster und achter Sinfonie die sogenannte Nullte an, die Bruckner selber ebenso wie die Studiensinfonie f-Moll als nicht vollwertig betrachtete. Dass er sie nicht vernichtete, zeigt aber auch, dass er so unglücklich damit denn doch nicht war.
Poschner und das Bruckner Orchester Linz bleiben im Grundsatz ihrem eingeschlagenen Weg treu und liefern eine frisch beleuchtete Deutung. In den ersten beiden Sätzen gefällt diese stärker auf Streicher und Holzbläser abstellende Gewichtung im Orchester außerordentlich. Und das umfasst auch die Formulierung der Spannungsbögen und Proportionierung sowie die Ausgestaltung der Tempi.
Nicht so glücklich gelungen sind die beiden Schlusssätze. Der dritte Satz mit der Bezeichnung Scherzo. Presto – Trio. Langsamer und ruhiger – Scherzo da capo nimmt das schnelle Tempo sehr ernst, obwohl die Dauer des Satzes gegenüber Vergleichsaufnahmen durchaus lang ist. Das mag daher rühren, dass das Trio sehr ruhig genommen wird, obwohl ein langsameres, kein viel langsameres Tempo als Satzbezeichnung angegeben ist. Die Tempowahl mag insoweit etwas zu stark gebremst erscheinen. Das Presto dagegen wird nicht nur schnell gespielt, was erst einmal gut ist, sondern wirkt gehetzt. Und das fällt dadurch unangenehm auf.
Der Schlusssatz gelingt dann wieder in den aus der Reihe gewohnten klanglichen Ideen. Allerdings wirkt er ein bisschen motorisch. Hier mag sich die aufgehellte Gewichtung der Instrumentengruppen ein wenig negativ auswirken, da diese Leichtigkeit auch etwas von der Sonorität raubt und damit der Aussagekraft. Damit bietet der Zyklus noch die Möglichkeit, sich gleichmäßiger auszurichten.
The complete recording of Bruckner’s symphonies with all versions now offers, after the sixth and eighth symphonies, the so-called zeroth, which Bruckner himself, like the Study Symphony in F minor, did not consider to be complete. That he did not destroy it, however, also shows that he was not so unhappy with it after all.
Poschner and the Bruckner Orchestra Linz remain true to their chosen path and deliver a fresh und bright interpretation. In the first two movements, the orchestra’s emphasis on strings and woodwinds is extremely pleasing. And that includes the formulation of the tension arcs and proportioning as well as the shaping of the tempi.
Not so happily accomplished are the two final movements. The third movement, marked Scherzo. Presto – Trio. Slower and calmer – Scherzo da capo takes the fast tempo very seriously, although the duration of the movement is quite long compared to comparative recordings. This may stem from the fact that the Trio is taken very quietly, although a slower, not much slower, tempo is given as the movement designation. The choice of tempo may seem a bit too slow in this respect. The Presto, on the other hand, is not only played fast, which is good at first, but seems rushed. And this is unpleasantly noticeable as a result.
The final movement then succeeds again in the tonal ideas familiar from the series. However, it seems a bit motoric. Here the lightened weighting of the instrumental groups may have a somewhat negative effect, as this lightness also robs some of the sonority and thus the expressiveness. Thus, the cycle still offers the possibility of more even alignment.
Guy Engels: Anton Bruckners d-Moll-Symphonie von 1869 ist sicher nicht sein stärkstes Werk, allerdings lange nicht so schlecht, so « ungültig“ wie der Komponist es selber abtat.
Es ist also durchaus legitim, entgegen Bruckners Absichten, die Symphonie aufzuführen, sie ins Repertoire zu nehmen und auf CD einzuspielen.
Wenn die Interpretation zudem so gut gelingt, wie bei Markus Poschner und dem Linzer Bruckner Orchester, dann sind wir sehr weit von einer Null entfernt.
Markus Poschner setzt vorrangig auf den Rhythmus, auf den musikalischen Puls. Sein Bruckner wird nicht zelebriert, ist nicht zerebral sondern wunderbar geerdet, ständig in Bewegung, ohne zu trödeln. Dies verleiht der Musik eine wohltuende Frische, viel Energie. Überdies werden Längten vermieden und die Spannung konstant gehalten. Gerade im Andante könnte sonst so manche Gefahr lauern.
Bei Markus Poschner und dem Bruckner Orchester klingt alles wie aus einem Guss, trotz der Brechungen, der Stimmungswechsel, die in Bruckner-Symphonien oft unvermittelt auftreten.
Diese Interpretation ist wunderbar detailliert, kammermusikalisch durchdacht und trotz der zügigen Gangart sehr lyrisch – dies vor allem durch den klaren, nuancierten und warmen Orchesterklang.
Trotz nur rund 45 Minuten Spiellänge haben die Produzenten dankenswerter Weise darauf verzichtet, irgendeine Füllmusik hinzuzufügen. Das hätte dann wirklich eine Null verdient.
Anton Bruckner’s D minor Symphony of 1869 is certainly not his strongest work, but it is far from being as bad, as « invalid » as the composer himself dismissed it.
So it is quite legitimate, contrary to Bruckner’s intentions, to perform the symphony, to include it in the repertoire and to record it on CD.
Moreover, if the interpretation succeeds as well as it does with Markus Poschner and the Linz Bruckner Orchestra, then we are very far from a zero.
Markus Poschner focuses primarily on rhythm, on the musical pulse. His Bruckner is not celebrated, is not cerebral but wonderfully grounded, constantly in motion without dawdling. This gives the music a pleasant freshness, a lot of energy. Moreover, lengthiness is avoided and the tension is kept constant. Especially in the Andante, some danger could otherwise lurk.
With Markus Poschner and the Bruckner Orchestra, everything sounds like a unified whole, despite the refractions, the changes of mood that often occur abruptly in Bruckner symphonies.
This interpretation is wonderfully detailed, thoughtfully chamber-musical and, despite the brisk pace, very lyrical – this above all because of the clear, nuanced and warm orchestral sound.
Despite only about 45 minutes of playing time, the producers have thankfully refrained from adding any filler music. That would have really deserved a zero then.