Die Einspielungen der Symphonien von Anton Bruckner mit Gerd Schaller haben bis auf wenige Ausnahmen hier sehr gute Rezensionen erfahren. Deshalb kann ihm eine genaue Kenntnis der Welt dieses tiefgläubigen Komponisten zugebilligt werden. Diese hat er nun genutzt, um neben der Ouvertüre aus der Studienzeit das Streichquintett einzuspielen. Nun hat er selber aus dem Quintett eine Fassung für romantisch besetztes Orchester geschaffen, die eben keine spätromantische, überbordende ist. Es bleibt mit doppelt besetzen Holzbläsern und Trompeten, drei Posaunen und Pauke in der Besetzung begrenzt. An vorletzter Stelle hat er als vierten Satz das Intermezzo einfügt, das Bruckner für die gleiche Besetzung als Einzelsatz komponierte.
Auch in der orchestralen Version bleibt der langsame Satz den Streichern vorbehalten. Die Bläser werden behutsam für einzelne Steigerungen oder Höhepunkte hinzugefügt oder punktuell ersetzen sie die Streicher, um Farbnuancen zu generieren. Schon lange wird gestritten, ob das Quintett eine eigenständige Kammermusik ist oder verkleinert das symphonische Denken Bruckners umsetzt. Schaller versucht, die Eigenständigkeit des kammermusikalischen Schaffens durch die zurückhaltende Erweiterung zu verdeutlichen. Wie stilgerecht diese Bearbeitung ist, kann mit dieser Aufnahme, die das Prager Radio Symphonieorchester unter Leitung von Gerd Schaller geschaffen hat, erhört werden.
Mit ähnlicher Besetzung, noch um Hörner erweitert, stellt die ergänzend aufgezeichnete Ouvertüre ein frühes zu Studienzweiten entstandenes Werk dar, das aber in die Richtung seines künftigen Wirkens weist sowie eine überzeugende eigene Aussage formuliert und damit eine eigene Berechtigung hat.
Das Orchester widmet sich diesen Kompositionen mit Geschick und Interesse. Besonders das Adagio der Streicher wird mit inniger und warmer Tongebung intensiv ausgedeutet. Auch sonst ist das Spiel der Musiker engagiert und folgt den Vorgaben des Dirigenten animiert.
Nicht nur für die Freunde der Musik von Anton Bruckner ist dieser Beitrag eine bereichernde Erweiterung des Œuvres, die bei den Experten möglichweise neuen Diskussionsbedarf über die Rolle der Kammermusik von Bruckner hervorruft.