Die wenig gespielte und deswegen auch nur wenig bekannte Zweite Symphonie von Bruckner ist, anders manche es vielleicht annehmen, bereits ein ausgereiftes Werk. Im 48. Lebensjahr vollendet, fehlt es ihr nicht an melodiöser Vielfalt, sowohl kammermusikalischer Intimität wie auch orchestraler Wucht. Insofern muss man sie trotz ihrer unzweifelhaft bestehenden Qualitäten als Stiefkind der Rezeption ansehen. Eine Aufführung dieses Werkes, hier in der vierten und zugleich letzten Fassung von 1877 verdient allein deswegen Lob. Welche Fassung die zu bevorzugende bei jeder Symphonie ist, lassen wir außen vor.
Wenn diese Gestaltung dann von der Staatskapelle Dresden mit dem so homogen besetzten Ensemble unter der Leitung von Christian Thielemann erfolgt, wagt man die Prognose, dass es ein Ereignis werden muss. Dem konnte hier entgegenstehen, dass es sich um den Mitschnitt eines Konzertes und dazu aus der Elbphilharmonie handelt. Die Akustik dieses Saales wird ja von vielen Stimmen als problematisch beschrieben. Dieses Problem kann man wahrscheinlich auf einer Aufnahme mindestens entschärfen. Aber von Ohrenzeugen wird auch im Konzert die perfekte Beherrschung der Akustik durch die Protagonisten bestätigt.
Auf der Aufnahme jedenfalls erklingt ein mustergültig austarierter Klang, bei dem alle Gruppen und Solisten dieses herausragenden Orchesters mit Schliff und Eleganz agieren. Der auswendig dirigierende Thielemann hat ein sicheres Händchen dafür, wann er Vorgaben machen muss und wann er die Musiker an den Pulten ihre eigene Ideen verwirklichen lassen kann. So entsteht eine im Tempo stramme, aber nicht gehetzte Deutung. Die meisterhafte Dosierung der Kaskaden erlaubt vor allem im Andante feine Kammermusikmomente, aber eben auch die großen Steigerungen, ohne die Kräfte zu übersteigern. Diese Aufnahme der Zweiten ist sicherlich ab jetzt mindestens eine der maßgeblichen im Katalog.