Valery Gergiev hat einmal gesagt, in einem Konzert müsse es einige packende Momente geben, sonst wäre es kein gutes Konzert. Bei seiner Gesamtaufnahme des ‘Nussknackers’ muss man bis zu Drosselmayers Ankunft warten, um ein bisschen Spannung zu spüren, denn der Beginn wird lustlos und routiniert abgespult. Und herzlose Routine stellt sich danach auch sofort wieder ein. Der Dramatik der Szenen ‘Clara und der Nussknacker’ sowie ‘Der Kampf’ bleibt Gergiev alles schuldig, er dirigiert flüssig, ohne Rubato und zerstört mit der verhetzten Gleichförmigkeit die ganze Atmosphäre.
Das ‘Divertissement’ scheint Gergiev überhaupt nicht zu interessieren. Für ihn ist das scheinbar niedere Musik, die man schnell und schmerzlos erledigen muss. Das Mariinsky Orchester spielt, als habe es nicht geprobt, grau und fast überall ohne Relief. Der ‘Blumenwalzer’ ist dann bloß noch verwelkt, wie der ganze Rest.
Unsinnigerweise ist der ‘Nussknacker’ mit der ersten von Tchaikovskys der drei Fatum-Symphonien gekoppelt.
Was macht der da, oder besser, was macht er alles nicht, das ist die Frage, die man sich hier stellen muss. Auch hier liegt ein Grauschleier über der Musik, sie wirkt ungeformt, unstrukturiert, mit schlampiger Artikulierung, weitgehend spannungslos. Manche Solis scheinen buchstabiert. Manchmal kommt die eine oder andere interessante Idee (vor allem im sehr traurigen Andantino), und es baut sich Spannung leider so schnell auf wie wieder ab, und man kann nur die Augen verdrehen ob eines derart unausgegorenen Interpretierens. Im Scherzo spielt das Orchester zumindest etwas besser als im Rest der Symphonie, aber Gergiev verhetzt den Satz. Im Geschwindmarsch geht es dann laut und undiszipliniert durchs Finale.
Diese CD ist das wohl prägnanteste Beispiel für den ‘Burn Out’-Zustand sowohl Gergievs wie auch seines Orchesters. Man kann nicht jeden Tag spielen und manchmal mehrmals am Tag, jahrein, jahraus, ohne dass da Abnutzungserscheinungen auftreten. Der Motor des Mariinsky-Fahrzeugs ist verkrustet mit jeder Menge Altöl, und sein Fahrer fährt sorglos damit durch die Landschaft, als sei es ein Spitzenmodell. Manchmal wacht er vorübergehend aus seinem Geträume auf, gibt ein bisschen Gas, aber so richtig will es nie was werden, weil er nur fährt und fährt, nie wirklich Atem nimmt, als Kilometerfresser, der sich die Landschaft nicht anschaut, sondern stoisch vor sich hinguckt.
Sich diese Produktion anhören zu müssen, war für den Rezensenten eine Qual, und eigentlich wäre schon vom Label Schmerzensgeld fällig.