Gewitter haben schon viele Komponisten inspiriert, Beethoven (6. Symphonie), Strauss (Alpen-Symphonie) und Verdi (Rigoletto) mögen die bekanntesten davon sein.
In ihrer Tondichtung Aux confins de l’orage beschäftigt sich Camille Pépin (*1990) mit drei leuchtenden Übergangsphänomenen, die einem Gewitter vorausgehen. « Sie finden in der oberen Atmosphäre statt, und da sie von der Erde aus unsichtbar sind, habe ich mir für sie verschiedene orchestrale Farben ausgesucht, die jedem von ihnen eigen sind. » Diese Farben sind, im ersten Teil Gelb-orange, danach Rot, und der letzte Satz « beginnt mit einer kalten Episode, kalt und windig, und führt uns in die Stratosphäre. In dieser Schicht der Atmosphäre,die uns am nächsten ist, fliegen mit hoher Geschwindigkeit die blauen Jets. » Dieses Programm ergibt eine faszinierend schillernde Musik, die zeigt, wie gut Camille Pépin ihr Handwerk versteht und wie sie höchst kreativ eine Tondichtung konzipiert, die einen ganz individuellen Charakter hat und außermusikalische Ereignisse klanglich spannend umsetzt.
Gewiss, Pépins Musik ist geeignet, in Fachkreisen die oft heftig geführte Diskussion darüber zu entfachen, was eigentlich zeitgenössische Musik ist. So manch einer wird die Rückkehr zur Tonalität, zur Melodie, zum Drama in der Musik nicht akzeptieren, weil er die durch den Serialismus von der Vergangenheit abgetrennte Musik in dieser intellektuell begründeten Art weiterführen will.
Camille Pépin hat, wie andere Komponisten unserer Zeit, den Drang, diese Trennung zu überwinden und da an die Musikgeschichte anzuknüpfen, wo sie sich wohl fühlt, ohne dabei Barrieren zwischen ‘hohen’ und ‘niedrigen’ Stilen zu akzeptieren.
Sie benutzt schon mal Zitate oder Verweise auf Musik vieler Traditionen und Kulturen, findet aber auch ohne das ihren Weg, der sich von einer verkopften Musik abgrenzt, ohne dafür die Bezeichnung populistisch zu riskieren. Zumindest ist das meine Meinung, die sicher von vielen nicht geteilt wird, die in der zeitgenössischen Musik keinen Pluralismus und Eklektizismus akzeptieren und die Nase bei allem rümpfen, was zu traditionell klingt.
Die knapp neun Minuten lange Tondichtung Les eaux célestes aus dem Jahre 2022 basiert auf einer alten chinesischen Legende. Prinzessin Orihime webt die Wolken, um damit Kleider für die Götter zu erschaffen. Der Viehtreiber der Sterne, Hikoboshi, hütet die Milchkühe, um das himmlische Königreich zu ernähren. Sie verlieben sich unsterblich und vernachlässigen ihre Aufgaben, was zu ihrer Trennung durch die himmlischen Gewässer führt. Feine Texturen bestimmen dieses charmante Werk das jubilierend endet, als die Verliebten sich wiederfinden.
Avant les clartés de l’aurore (Vor den Klarheiten der Morgenröte) beschreibt die Nebelwolken vor dem Sonnenaufgang. Enthielt Les eaux célestes pentatonische Töne, kommt es in diesem einfallsreich konzipierten Stück ebenfalls zu östlichen Klangreferenzen und sogar zu einer Anleihe aus Stravinskys Petrouchka.
Laniakea bedeutet auf Hawaiianisch « unermessliches Himmelsparadies ». Der Titel bezieht sich auf den 2014 entdeckten Supergalaxienhaufen, der zu den größten Strukturen im Universum zählt. Camile Pépin hat mit diesem Stück ein, wie sie es nennt, kosmisches Fresko komponiert. Die Musik ist ganz apart, mit vielen ätherischen Klängen und nimmt den Hörer mit auf eine sinnliche intergalaktische Reise.
Yggdrasil ist der Weltenbaum in der nordischen Mythologie. Dieses Thema hatte rezent auch der Chor Cantus behandelt. (siehe unten). Camille Pépin fokussiert den Blick auf die drei Wurzeln, die aus der Quelle des Baums entspringen, Hel, die Unterwelt der Toten, Asgard, die Welt des Himmels und der Götter, Midgard, das wahre Land in der Mitte, die alle drei in dem Stück La Source d’Yggdrasil thematisiert werden.
Und so bietet sich mit dieser CD ein interessantes musikalisches Porträt einer Komponistin, die viele gute Ideen gut umsetzen kann. Würde mich jemand fragen, an wen ich denke, wenn es um den Bereich der Tondichtung in unserer Zeit geht, würde ich wohl sofort Camille Pépin nennen.
Thunderstorms have inspired many composers, Beethoven (6th Symphony), Strauss (Alpine Symphony) and Verdi (Rigoletto) may be the best known.
In her tone poem Aux confins de l’orage, Camille Pépin (b. 1990) deals with three luminous transitional phenomena that precede a thunderstorm. « They take place in the upper atmosphere andare invisible from the Earth, so I imagined orchestral colors specific to each one. » These colors are, in the first part yellow-orange, then red, and the last movement « begins with a cold episode, cold and windy, taking us to the stratosphere. In this layer of the atmosphere closest to us, blue jets fly at high speed. » This program results in a fascinatingly dazzling music that shows how well Camille Pépin knows her craft, and how she is highly creative in conceiving a tone poem that has a very individual character, and that translates extra-musical events in an exciting way.
Certainly, Pépin’s music is capable of sparking the often heated discussion in professional circles about what actually constitutes contemporary music. Many will not accept the return to tonality, to melody, to drama in music, because they continue to prefer music separated from the past by serialism and composed in an intellectual way.
Camille Pépin, like other composers of our time, has the urge to overcome this separation and to take up music history where she feels comfortable, without accepting barriers between ‘high’ and ‘low’ styles.
She sometimes uses quotations or references to music of many traditions and cultures, but also finds her way without that, distinguishing herself from a cerebral music without risking the label populist for it. At least that is my opinion, which is certainly not shared by many who do not accept pluralism and eclecticism in contemporary music and turn up their noses at anything that sounds too traditional.
The tone poem Les eaux célestes from 2022, barely nine minutes long, is based on an ancient Chinese legend. Princess Orihime weaves the clouds to create clothes for the gods. The herdsman of the stars, Hikoboshi, tends the dairy cows to feed the celestial kingdom. They fall madly in love and neglect their duties, leading to their separation by the celestial waters. Fine textures define this charming work that ends jubilantly as the lovers find each other again.
Avant les clartés de l’aurore (Before the clarities of dawn) describes the clouds of mist before the sun rises. If Les eaux célestes contained pentatonic tones, this imaginatively conceived piece also features Eastern sound references and even a borrowing from Stravinsky’s Petrouchka.
Laniakea means « immeasurable heavenly paradise » in Hawaiian. The title refers to the super galaxy cluster discovered in 2014, which is one of the largest structures in the universe. With this piece, Camile Pépin has composed what she calls a cosmic fresco. The music is quite apart, with many ethereal sounds and takes the listener on a sensual intergalactic journey.
Yggdrasil is the world tree in Norse mythology. This theme had also been treated recently by the choir Cantus. (see below). Camille Pépin focuses the view on the three roots that spring from the source of the tree, Hel, the underworld of the dead, Asgard, the world of heaven and the gods, Midgard, the true Land in the middle, all three of which are thematized in the piece La Source d’Yggdrasil.
And so this CD offers an interesting musical portrait of a composer who does a lot of good ideas well. If someone were to ask me who I think of when it comes to the field of tone poems in our time, I would probably immediately name Camille Pépin.