Der Sänger Farinelli, dessen von Zeitgenossen als göttlich angesehene Beherrschung seiner durch Kastration erhaltenen Sopranstimme ebenso gerühmt wurde wie seine charakterliche Stärke, war, anders als viele seiner Kollegen großzügig und ausgeglichen, was auch seiner Herkunft aus dem niederen Adel geschuldet sein mag. Einzig seine als hölzern bezeichneten schauspielerischen Bewegungen zeigten, dass dieser Carlo Broschi, erst als Künstler Farinelli genannt, auch nur ein Mensch war.
Für die Entwicklung dieses herausragenden Künstlers waren auch hilfreiche Umstände förderlich, wie sein Lehrer und lebenslanger Freund Nicola Porpora, der ihm die Arien nicht nur auf den Leib schrieb, sondern sozusagen unter die Haut. Auch sein Bruder Riccardo hatte Anteil an dem Erfolg. Das Beiheft gibt dazu in zwei textlichen und einer bebilderten Abhandlung in drei weitgehend ähnlichen Darstellungen weitere Details.
Dieser in fast jedem Sinne mehr herausragenden denn schillernden Persönlichkeit nimmt sich Cecilia Bartoli erneut an. Dass ihr als Frau dieses Repertoire natürlich leichter durch die Kehle geht, sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass auch sie einen Status innehat. Die Varianz der Gestaltung der Partien, die Tiefe der Darstellung abseits reiner Zurschaustellung sind auch ihr durchaus nicht fremd, auch wenn sie den feurigen Auftritt liebt. So bringt sie dem heutigen Hörer diese elaborierten Arien magisch näher. Farinelli, der nach einem Besuch bei Karl VI. in Wien seinen Stil von reiner Oberflächlichkeit hin zu charaktervollen Studien änderte und damit seinen Ruf festigte oder ausbaute, wird von Cecilia Bartoli mit einer Reihe seiner späteren Arien präsentiert, so mit Alto Giove aus dem Polifemo von Porpora. Muss man noch mehr sagen, als das die Künste der Bartoli in Bann ziehen?
Zur Begleitung hat sich Cecilia Bartoli erneut das Orchester Il Giardino Armonico ausgesucht, das von Giovanni Antonini sicher und eloquent geleitet wird. Für die erwähnte Arie Alto Giove wurde eine Aufnahme mit dem ihr eng verbundenen Orchester Les Musiciens du Prince-Monaco mit dem Dirigenten Gianluca Capuano angehängt, bei der sich die hautenge Verbundenheit der Partner auch in Nuancen hören lässt.