Nach dem 3-CD-Set ‘Sergiu Celibidache – The complete RIAS recordings’ (21.406) im Jahre 2011, veröffentlicht Audite nun eine Box mit 12 CDs und einer Bonus-Disc unter dem Titel ‘The Berlin Recordings’. Sie enthält nicht, wie man meinen könnte, auch die Aufnahmen der Veröffentlichung von 2011 und ist, so gesehen, komplementär zu jenem Set. Diese neue Box wurde in Zusammenarbeit mit dem ‘rbb’ (Rundfunk Berlin Brandenburg) erstellt. Die Zeitangabe auf dem Coverbild ist insofern ein wenig irreführend, weil sich die Einspielungen auf die Jahre 1945 bis 1953 konzentrieren, und aus dem Jahre 1957 lediglich ein knapp halbstündiges Fragment von Beethovens 7. Symphonie zu hören ist.
Die 13 CDs sind im Textheft genau beschrieben, und es ist immer genau ersichtlich wo, wann und wie (live oder im Studio) die Aufnahmen entstanden. Mehrere Texte im Booklet liefern jede Menge Hintergrundinformationen, die die komplexe Geschichte der Aufnahmen erklären, die zum großen Teil durch die Besatzungsmächte in Berlin diktiert wurde.
Sergiu Celibidache war immer ein eigenwilliger und persönlichkeitsstarker Dirigent, auch wenn seine Persönlichkeit sich in jungen Jahren ganz anders äußerte als im hohen Alter.
Wir sind hier natürlich ganz, ganz weit entfernt von dem, was in seinen späten Jahren zum Markenzeichen des rumänischen Dirigenten geworden ist, seinen langsamen Tempi. Wie schon auf anderen Celibidache-Mitschnitten aus der Mitte des XX. Jahrhunderts sind die Tempi oft sehr schnell, aber man kann das nicht verallgemeinern, die Tempi sind vor allem sehr unterschiedlich, sehr wechselhaft, sie werden als interpretatorische Kontrastmittel benutzt. Gemeinsam ist allen Aufnahmen die Leidenschaft, mit der Celibidache damals musizierte
Das Berliner Rundfunkorchester war 1945 in keinem guten Zustand, die Aufnahmen liefern ein beredtes Zeugnis davon, aber die Berliner Philharmoniker hatten da schon ein viel besseres Niveau.
Die meisten Interpretationen beinhalten dennoch ganz besondere Merkmale, etwa die markante Betonung des Marschthemas in Debussys ‘Nocturnes’. Zu den Höhepunkten zählen eine in ihrer Bedeutungsrhetorik geniale Vierte Brahms, ein gefühlsintensives Cellokonzert Anton Dvoraks mit Tibor de Machula, eine spannungsgeladene und stimmungsvolle Version von Debussys ‘La Mer’ sowie eine in der Wahl der Tempi sehr spezielle ‘Symphonie mit dem Paukenschlag’.
Der Wert der Veröffentlichung wird noch gesteigert durch die Vielzahl an wenig bekannten Werken, die in der Werkliste im Header dieser Rezension genannt sind.
Die meisten Aufnahmen, vor allem die Studioproduktionen mit den Berliner Philharmonikern, sind von guter Qualität. Doch es gibt auch technische Mängel, die nicht zu beheben waren (so z.B. abgeschnittene Bandanfänge). Generell aber kann sich das Ohr an einem fülligen Orchestersound erfreuen, der zudem hervorragend restauriert wurde.
This box shows how strong the personality Sergiu Celibidache was, when he conducted the Berlin orchestras after World War II. We might be far from the slow tempi he adopted in his late years, but he has already his very own views, some of them really surprising.