Herr Stromberg, Sie sind Cellist – wie sind Sie dann ausgerechnet auf ein Instrument wie das Duplex-Piano aufmerksam geworden?
Im Sommer 2017 suchte ich nach Literatur für zwei Celli und stieß auf ein Doppelkonzert für zwei Celli und Orchester von Emanuel Moór – spätromantische Musik allererster Güte. Aus der Begeisterung für Moórs Musik brachten der Cellist Sebastian Hess und ich eine Moór-CD auf den Markt. Ich bemerkte dabei, dass Moór auch ein Erfinder war und machte es mir zur Aufgabe, sein Duplex Piano, das er entwickelt hatte, auf die Konzertbühne zurückzubringen.
Für alle, die es noch nicht kennen: Was ist das Duplex-Piano bzw. was ist seine Besonderheit?
Das Duplex Piano ist ein Konzertflügel mit zwei Manualen, bei dem mittels eines Pedals die Töne auf dem unteren Manual oktaviert und dadurch verdoppelt gespielt werden können. So entsteht eine enorme Klangfülle. Aber auch im Piano, also, wenn man leise spielt, kommt es zu besonderen Klangwirkungen. Darüber hinaus kann eine Hauptstimme oktaviert auf dem unteren Manual und eine Nebenstimme unverdoppelt auf dem oberen dargeboten werden. Dieser Flügel war um 1930 in den wichtigsten Zentren der klassischen Musik häufig zu hören.
Die Entstehung des Duplex-Pianos ist eng verwoben mit der Biografie seines Erfinders, des Komponisten und Pianisten Emanuel Moór. Was hat Moór dazu bewogen, das Konzept des Klaviers zu überdenken und das Duplex-Piano zu entwickeln?
Moór lernte zunächst von seinem Vater das Orgelspiel. Daher waren ihm die klanglichen und spieltechnischen Möglichkeiten eines Instrumentes mit zwei Manualen vertraut. Er fand, dass das einmanualige Klavier in seinen Ausdrucksmöglichkeiten begrenzt sei. Er setzte dann alles daran, mit seinem Duplex Piano das Klavier der Zukunft zu entwickeln.
Während des ersten Viertels des 20. Jahrhunderts haben mehrere namhafte Klavierhersteller Moórs Erfindung offenbar begeistert aufgegriffen. Warum scheint es heute nur noch so wenige gut erhaltene Exemplare des Duplex-Pianos zu geben?
Pleyel, Bechstein, Steinway, Bösendorfer, und einige andere Manufakturen bauten das Duplex Piano. Die Entwicklung begann 1920 und es entstanden rund 70 Instrumente. Z.B. befindet sich ein Bösendorfer-Flügel im Metropolitan Museum of Art in New York. In der Sammlung des Berliner Musikinstrumentenmuseums wird ein Pleyel-Flügel ausgestellt. Andere Exemplare befinden sich in Privatbesitz. Aber das Duplex Piano geriet nach und nach in Vergessenheit, und die Instrumente wurden nicht mehr genutzt.
War das Duplex-Piano mehr als eine kurzzeitige Modeerscheinung?
Die Berliner Philharmoniker, die Wiener Philharmoniker, das Amsterdam Concertgebouw Orchester, die renommiertesten Dirigenten der Welt wie Bruno Walter, Walter Mengelberg, Hans Knappertsbusch und bekannte Solisten nutzten das Duplex Piano in Konzerten. Wenn es eine Idee soweit schafft, muss etwas Substantielles daran sein.
Auf Ihrem Album, das Sie zusammen mit dem Pianisten Florian Uhlig eingespielt haben, präsentieren Sie Musik von Richard Strauss, Ernst von Dohnányi und von Emanuel Moór selbst. Wie sind Sie vorgegangen, als Sie Werke für solch ein Album suchten?
Wir haben diese Sonaten ausgewählt, weil sie besonders gut zum Duplex Piano passen. Emanuel Moór wollten wir natürlich auch als Komponisten präsentieren. Uns fiel ein Foto in die Hand, auf dem Ernst von Dohnáyni ein Konzert in Budapest mit dem Duplex Piano dirigiert. Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt und Winifred Christie, die zweite Ehefrau von Emanuel Moór, sitzt am Flügel. Da war uns klar: seine Sonate für Cello und Klavier müssen wir aufs Album nehmen. Und das Jugendwerk von Richard Strauss passt mit seinem „Sturm und Drang“ wunderbar zum Duplex Piano und zur Kraft neuer Ideen.
Müssen Sie sich als Cellist im Duo mit einem Duplex-Pianisten irgendwie klanglich anders disponieren als im Zusammenspiel mit einem normalen Klavier, und falls ja, wie machen Sie das?
Ich bin mit einer enormen Klangfülle konfrontiert. Ich nehme das als einen Anreiz, noch lebendiger und ausdrucksvoller zu musizieren.
Sie stellen das Duplex-Piano auch live vor, geben Konzerte mit mannigfachem Repertoire. Nun hat ja aber nicht jeder Klavierverleih in Deutschland auch ein Duplex-Klavier im Angebot. Wie organisieren Sie den Transport und die Logistik?
Das stimmt: Bislang hat kein Klavierverleih ein Duplex Piano im Angebot… Jeder Transport des Duplex Pianos muss also professionell bewerkstelligt werden. Zwei Männer bewältigen das enorme Gewicht – ‚so grade eben‘.
Wenn dann der Klavierstimmer vor dem Konzert kommt: Der wundert sich doch sicher sehr, was er da plötzlich vorfindet, oder? Kommen die Klavierstimmer sofort mit dem Instrument zurecht oder müssen die sich erst einmal ein wenig orientieren?
Ja, sie wundern sich, weil auch sie so ein Instrument meist nicht kennen. Das Duplex Piano lässt sich aber wie ein normaler Konzertflügel stimmen. Die Besaitung ist die eines normalen Flügels.
Das obere Manual des Duplex Pianos ist um eine Oktave reduziert. Warum ist das so?
Eine Taste des oberen Manuals aktiviert den Hammer eine Oktave höher als die entsprechende Taste auf dem unteren Manual. Damit wollte Moór spieltechnische Erleichterungen bei großen Sprüngen herbeiführen. Somit ist das obere Manual auch um eine Oktave kürzer.
Wie viele spielbare Duplex Pianos nach Moórs Vorbild gibt es heute noch?
Es fragt sich, was ‘spielbar’ bedeutet. Wir haben großen Aufwand betrieben, um ‘unseren’ Bösendorfer-Flügel CD- und konzerttauglich zu machen. Ich vermute, dass auch die verbleibenden Flügel, bevor sie im Konzert erklingen könnten, erst einmal in die Werkstatt müssten.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Wir realisieren in der Elbphilharmonie Hamburg in der Saison 2024/2025 eine Kammermusikreihe. In drei Konzerten werden Shirley Brill, Anna-Kreetta Gribajcevic, Niklas Liepe, Albrecht Menzel, Andrej Bielow, Hartmut Rohde, Florian Uhlig und ich das Duplex Piano feiern. Wir freuen uns darauf schon sehr und laden herzlich dazu ein, den einmaligen Klang selbst live zu erleben!