Seit 50 Jahren ist der in Augsburg geborene Cellist Julius Berger aus dem Musikleben nicht mehr wegzudenken, als Interpret, Pädagoge, Entdecker, Denker. Prägende Lehrer Bergers waren in München Fritz Kiskalt, in Salzburg Antonio Janigro und in Cincinnati (USA) Zara Nelsova. Engen Kontakt hatte er mit Mstislav Rostropovich, bei dem er zunächst studierte und mit dem er später zahlreiche Konzerte gab. Anna Niemer hat sich mit ihm  unterhalten.

Julius Berger

Julius Berger, Ihr 70. Geburtstag in diesem Jahr bedeutet ebenfalls 50 Jahre im Dienste der Musik. Zu diesem Anlass, haben Sie den Musikliebhabern zwei Geschenke gemacht: Ihr Buch ‘Ja. Cello!’ (Schott Verlag) und die CD-Einspielung ‘Warum toben Völker’ (arcantus music). Beginnen wir mit Ihrem Buch: Es stellt die zutiefst prägenden Beziehungen zu Ihren Cello-Lehrern und Mentoren ins Licht. Was hat Sie dazu inspiriert diesen Aspekt Ihrer musikalischen Entwicklung schriftlich zu betrachten?
Im Alter von 70 Jahren war es mir ein Bedürfnis Dank zu sagen. « Alles menschliche Leben ist Begegnung“ sagt Martin Buber. Die Begegnung mit meinen mittlerweile verstorbenen Lehrern ist nicht abgeschlossen, ich spüre sie jeden Tag in mir, Fragen stellend, in Frage stellend. Ich hatte großes Glück!
Des Weiteren ist dieses Buch ein Dokument gegen das Vergessen. Namen wie Kiskalt, Janigro oder Nelsova scheinen zu verblassen. Junge Studierende orientieren sich vor allem an Internetpräsenzen und wissen wenig oder gar nichts von diesen großartigen Meistern, eine erschütternde Entwicklung!

Welchem Ihrer Lehrer sind Sie als Pädagoge am ähnlichsten?
Vielleicht am ehesten Antonio Janigro, dessen Assistent ich war, dem Lehrer von Antonio Meneses, Thomas Demenga, Michael Flaksman, Mario Brunello und so vielen mehr. Verschiedene Aspekte seines Unterrichtes habe ich übernommen, beispielsweise den Unterricht in Anwesenheit der ganzen Klasse. Die Vortragenden spielten stets vor einem kleinen, hochkarätigen Publikum, anschließend entstand stets eine angeregte Diskussion sowie Reflexion.
Auch in technischer wie stilistischer Hinsicht ist Janigro ein bleibender Maßstab!
Seine ehemaligen Studierenden sind auch nach seinem Tod verbunden geblieben. Wir trafen uns alle zehn Jahre zu einem Konzert zu Ehren unseres Meisters. Es waren immer bewegende Wiedersehen. Unvergesslich sind für mich das letzte Mal und die Gespräche an den Abenden zusammen mit Thomas Demenga bei einer guten Flasche Rotwein.

Julius Berger

Für die CD-Einspielung ‘Warum toben Völker’ haben Sie die Musik von Ernest Bloch gewählt. Im CD-Booklet schreiben Sie, dass Sie diese Aufnahme als ein « musikalisches Gebet » verstehen. Ich finde die gesamte Musik Ernest Blochs ist ein einziges, wortloses Gebet, ergreifend und durchdrungen von Schmerz. Leider, finde ich, immer noch zu selten gespielt… Warum haben Sie für diese Aufnahme eine Bearbeitung der Musik von Ernest Bloch gewählt, noch dazu eine so ungewöhnliche wie die des Perkussionisten Andrei Pushkarev für Cello, Marimba und Vibraphon?
Ernest Bloch beschreibt in eindringlicher Weise die Entstehung seiner Musik in Verbindung mit der Lektüre des Alten Testamentes « … von ferne ertönt eine Stimme, aus anderer Zeit… » Diese Musik schreibe er auf.
Wenn ich mich in die Situation der Propheten und Psalmisten, deren Worte Bloch meint, hineinversetze, wenn ich an die Wüstenlandschaften denke, dann verbinde ich diese Bilder mit einem bestimmten Klang, ein Organist würde von Registrierung sprechen. Die archaische Instrumentation mit Vibraphon und Marimba in Verbindung mit der menschlichen Stimme des Violoncellos scheint mir ideal für Stimme und Stimmung im Heiligen Land vor 3000 Jahren zu sein.

Zwischen den einzelnen Musikstücken erklingen Texte aus dem Buch der Psalmen, der hebräischen Bibel, gesprochen von der Politikerin a.D. Annette Schavan. Welche Gedanken stehen hinter diesem Konzept?
Die hier gespielte Musik von Ernest Bloch ist ohne die Botschaft des Alten Testamentes nicht denkbar, davon war eben die Rede. Ein Interpret hat die Aufgabe, in dieMusik ‘hineinzuhören’, sie zu ‘inter-pretieren’, d.h. sie zu deuten. Meine Deutung verbindet wiederum Musik mit dem Wort.
Der Anstoß dazu kam von Annette Schavan, Theologin, Politikerin, Universalgelehrte. Wir sind Freunde.
Die Reaktionen auf dieses leider so aktuelle Projekt ‘Warum toben Völker’, die betroffenen und die weinenden Menschen, haben uns bestätigt, dass unser Weg ein wichtiger Weg der Interpretation ist, sicherlich nicht der einzige, allerdings einer, den in dieser Art noch niemand gegangen ist.

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