Im Jahr 2022 jährt sich der Geburtstag von César Franck zum zweihundertsten Mal. Für viele Menschen gilt Franck entweder als ein Orgelmusikkomponist oder als der Komponist der berühmten Symphonie in d-Moll. Was denken Sie, wie wir ihn stattdessen sehen sollten?
Fabio Banegas: Am meisten bin ich von seiner asketischen Persönlichkeit angetan. Er war ein äußerst bescheidener, disziplinierter und hingebungsvoller Mann, der sich für seine Kunst, seine Familie, seine Schüler und seine Religion einsetzte. Allein an einem Werk wie dem kolossalen Oratorium Les Béatitudes können wir schon den Umfang seines Werks und seines Intellekts ermessen. Ich persönlich betrachte César Franck als den Johann Sebastian Bach seiner Zeit; natürlich abzüglich der 20 Kinder die Bach hatte; Franck hatte nur vier, und keines von ihnen wurde Musiker.
Francisco Varela: Was seine berühmten Werke angeht, so ist er auch der Komponist fabelhafter Kammermusik wie z.B. eines Klavierquintetts in f-Moll, eines Streichquartetts in D-Dur und der großen Violinsonate in A-Dur, bedeutender Soloklavierwerke und empfindsamer, aber brillanter Orchestermusik wie der, die wir auf diesem Album aufgenommen haben. Ich denke, wir sollten ihn als einen Komponisten von sehr tiefgründiger, kunstvoller, reicher und farbenfroher Musik betrachten. In gewisser Weise glaube ich, dass es in seiner Musik ein Paradoxon gibt, denn einerseits finde ich viel Reichtum, technische Meisterschaft und Farbe, andererseits vermitteln seine Werke Strenge, eine ausdrucksstarke Einfachheit oder sogar eine Aufrichtigkeit, die sehr geradlinig ist. Das Paradoxe ist, dass diese scheinbar widersprüchlichen Ausdrücke anscheinend wie selbstverständlich nebeneinander existieren, ohne sich gegenseitig zu stören.
Sie haben für Ihr jüngstes Album ein Programm mit Werken Francks aufgenommen, von denen einige für Klavier und Orchester und einige für Orchester ohne Soloinstrument gesetzt sind. Wie haben Sie die Kompositionen ausgewählt? Einige sind ja bisher nur ganz selten aufgenommen worden.
FB: Im Allgemeinen entspricht meine Vision und Herangehensweise an das Repertoire, das ich interpretieren möchte, der kuratorischen Perspektive eines Museumskurators. Ich frage mich, welche Art von ‘Musikmuseum’ ich sein möchte, welche besondere ‘Ausstellung’ ich dem Publikum in diesem Moment zeigen möchte und was wohl die größte Wirkung auf den Zuhörer haben würde. Außerdem suche ich im Programm nach Einheit und einem gemeinsamen Nenner, um eine stärkere Wirkung zu erzielen. Wenn man diese Kriterien anwendet, wird das Publikum im Fall dieser Aufnahme eingeladen, ein César-Franck-Museum zu besuchen, in dem es seine symphonischen Werke in einem Satz, seine weniger bekannten Orchesterwerke und Kompositionen mit einer bestimmten Programmatik hören kann, in der Hoffnung, dass der Hörer César Franck wiederentdeckt, während er gleichzeitig des zweihundertsten Jahrestages seines Geburtsjahres gedenkt.
FV: Der Nukleus für unsere Auswahl war Les Djinns, eine selten aufgeführte und eingespielte Komposition, eine phantastische und einzigartige symphonische Dichtung mit Klaviersolo. Die Uraufführung von Les Djinns wiederum war der Funke für die berühmten Variations Symphoniques. Mit Ausnahme von Psyché, wo ein gemischter Chor mitwirkt, beschränkte sich das Programm dieser Aufnahme auf alle symphonischen Dichtungen Francks aus seiner Reifezeit, darunter: Les Éolides, Le Chasseur Maudit und das Morceau Symphonique de Rédemption, ebenfalls ein leider nur sehr selten aufgeführtes Meisterwerk. Es handelt sich um ein Programm, das den von Fabio Banegas erwähnten kuratorische Zusammenhang ermöglicht und gleichzeitig eine große Vielfalt bietet, da jedes Stück in seinem Charakter und seiner Behandlung sehr unterschiedlich ist.
Wie kam es zu den Aufnahmen mit dem Symphonieorchester von Lviv in der Ukraine?
FV: Ich stand bereits über meinen aus der Ukraine stammenden Kollegen und Freund, den Dirigenten Theodore Kuchar, im Rahmen anderer Projekte in Kontakt mit der Nationalen Philharmonie Lviv in der Ukraine. Als wir also mit der Planung dieser Aufnahme begannen, war es für mich ganz einfach, mit dem Orchester in Kontakt zu treten. Die Schwierigkeit bestand darin, angesichts der Einschränkungen durch die Pandemie einen Aufnahmetermin zu finden.
Ich glaube, Sie hatten Ihre Aufnahmesitzung in Lviv ungefähr Ende des Jahres 2021, also relativ kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine am 23. Februar 2022. Gab es unter den Orchestermitgliedern bereits ein Gefühl der Besorgnis über die Situation?
FB: Die Aufnahmesitzungen fanden Mitte November 2021 statt. Zu dieser Zeit bemerkte ich, dass es nur ein Gefühl der Besorgnis über die seit 2014 andauernden Scharmützel in der östlichen Ukraine an der Grenze zu Russland gab, als ob die Situation weit weg wäre und nicht zu einem ausgewachsenen Krieg eskalieren könnte. Die Gespräche im November drehten sich um die Tatsache, dass sich die Ukrainer überhaupt nicht mit Russland identifizierten und sich völlig europäisch fühlten.
FV: Ich stimme zu. Wir waren uns zwar der Konfrontation in der Donbass-Region bewusst, aber sie fand mehr als 1.000 km entfernt statt. Daher konzentrierte sich die Spannung für uns hauptsächlich auf die COVID-19-Pandemie. Wir unterhielten uns jedoch häufig über den Konflikt im Donbass, und auch vor allem über die Maidan-Bewegung von 2014. Und wie Fabio bereits erwähnte, verließen wir die Ukraine mit einer klaren Vorstellung von der Selbstbestimmung des ukrainischen Volkes und dem Stolz auf seine seit langem bestehende Identität. Der russische Angriff hat das alles für uns noch einmal verdeutlicht und hat natürlich auch die Fertigstellung der Aufnahmen kurzzeitig auf Eis gelegt.
FB: Ja, und es war ein Schock für uns, dass unsere César-Franck-Aufnahme wegen der russischen Invasion nun auf Eis lag. Bis zum 23. Februar verlief die Arbeit zwischen Francisco Varela in Buenos Aires und dem Ingenieur Andrej Mokrytsky in Kiew nach dem geplanten Zeitplan. Doch als die Nachricht vom Krieg kam, teilte uns Andrej mit, dass er wegen des Angriffs und der verhängten Ausgangssperre nicht in sein Studio konnte, um das Mastering zu beenden. Wir konnten nichts anderes tun als warten. Plötzlich, einige Wochen nach Kriegsbeginn, als Panzer auf Kiew vorrückten, übergab uns Andrej Mokrytsky die Aufnahme und wünschte uns viel Glück und Ruhm für die Ukraine.
Nach Ausbruch des Krieges haben Sie dann zusammen mit Ihrem Label Guild Music beschlossen, einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf des Albums für den Wiederaufbau der Kultur in der Ukraine zu spenden. Können Sie uns mehr darüber erzählen?
FB: Das ist ja das Mindeste, was wir tun können, nicht nur für die wunderbaren Menschen, die wir in der Ukraine getroffen haben, sondern auch im Geiste des Mitgefühls und der Güte, die César Franck sein ganzes Leben lang verkörpert hat. Ich denke oft darüber nach, wie Franck sich wohl gefühlt hätte, wenn er gewusst hätte, dass eine Aufnahme seiner Musik die letzte der Nationalen Philharmonie Lviv in der Ukraine sein würde, bevor es zu so einem massiven Krieg kam. Wir müssen daran denken, dass Franck durch den Verlust vieler seiner Musikstudenten während des Krieges zwischen Frankreich und Preußen im Jahr 1870 sehr betroffen war.
FV: Für jeden Kauf, den die Aufnahme generiert, entweder durch den Verkauf von physischen CDs oder durch digitale Downloads, wird eine Spende an das Disaster and Emergency Committee for the Ukraine Humanitarian Cause getätigt. Das ist eine Wohltätigkeitsorganisation aus Großbritannien, wo unser Label Guild Music, seinen Sitz hat. Natürlich hoffen wir alle auf einen sofortigen Waffenstillstand, und wir freuen uns auf neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit unseren ukrainischen Freunden und auf die Teilnahme an dem gewaltigen Wiederaufbauprozess, der nach der Tragödie, die sie erlitten haben, erforderlich sein wird.
Wie geht es dem Orchester jetzt? Gibt es eigentlich einen regelmäßigen Konzertbetrieb in Lviv oder liegt das kulturelle Leben durch die Auswirkungen des Krieges praktisch brach? Müssen die Musiker vielleicht sogar befürchten, zum Kampf einberufen zu werden?
FV: Sie sind nicht zum Kampf einberufen worden, das ist zum Glück nicht passiert, aber ich weiß, dass sich einige Musiker freiwillig gemeldet haben. Das Orchester hat nie aufgehört, mit seiner Gemeinde zusammenzuarbeiten.
FB: Ich verfolge die sozialen Medien des Orchesters und stehe in direktem Kontakt mit einigen seiner Mitglieder. Nach dem Krieg wurde die Philharmonie zu einem Lagerort für Kisten und Hilfsgütern. Um die Moral der Bevölkerung zu heben, traten zu Beginn des Krieges einige Musiker des Orchesters in kleinen Ensembles auf öffentlichen Plätzen auf. Später organisierten sie das Streaming vergangener Konzerte auf den Social-Media-Kanälen des Orchesters; und in jüngster Zeit wurde die Philharmonie wieder für Live-Auftritte geöffnet, wird aber gleichzeitig noch immer auch als Lagerraum genutzt.
Es ist schwer, nach diesen schweren Gedanken wieder zur Musik zurückzukehren, aber lassen Sie uns noch ein wenig über Franck sprechen: Herr Banegas, wie würden Sie den Kompositionsstil für Klavier beschreiben, den Franck in den Stücken, die Sie aufgenommen haben, an den Tag legt? Spüren Sie hier den Organisten oder den Symphoniker?
FB: Zunächst einmal spüre ich den Pianisten; wir dürfen nicht vergessen, dass César Franck vor allem ein Klaviervirtuose war. Nichtsdestotrotz spielte die Orgel eine wesentliche Rolle bei der Komposition seiner späten Werke, zu denen die beiden Stücke gehören, bei denen ich beteiligt bin. Ob Franck nun für Klavier solo, für Klavier und Orchester oder symphonisch komponierte, man spürt immer Francks Freude daran, die unzähligen Klänge und Farbkombinationen zu erkunden, die die Register der Orgel bieten. Ich habe keinen Zweifel daran, dass seine geschickte Instrumentierung und seine überraschenden harmonischen Farben von seiner Beherrschung der Orgel beeinflusst wurden.
Die beiden Stücke, die ich aufgenommen habe, die Symphonische Dichtung Les Dijnns für Klavier und Orchester und die Symphonischen Variationen für Klavier und Orchester unterscheiden sich in ihrem pianistischen Ansatz und Konzept. Les Djinns ist ein programmatisches musikalisches Werk, das von dem gleichnamigen Gedicht von Victor Hugo inspiriert ist. Obwohl es keine formale Replik des Gedichts ist, hat Franck die von Hugo dargelegte Geschichte und die orientalische Essenz des Gedichts erfasst, die in den französischen Intellektuellenkreisen des 19. Jahrhunderts sehr en vogue war.
Gleich zu Beginn des Solos stößt der Pianist auf ein anspruchsvolles, schnell absteigendes Arpeggio, gefolgt von einer aufsteigenden sequenziellen Passage, um schließlich mit einem weiteren Arpeggio wieder tiefer in das untere Register des Klaviers hinabzusteigen. Dieser virtuose Auftritt, der in Francks Erzählung womöglich den Rauch aus Aladins Lampe darstellen könnte, führt die Hauptfigur der Handlung ein: einen Geist, ein sehr großes rhythmisches und furchterregendes Leitmotiv. So entwickelt Franck Les Djinns von Anfang bis Ende mit einer Reihe von virtuosen Abschnitten, die die beängstigende Bedrohung durch die Dschinns beschreiben sollen. Natürlich wäre es kein Franck-Stück ohne die Einfügung eines tiefgründigen und anrührenden Bittthemas, in diesem Fall im Mittelteil.
Die Symphonischen Variationen für Klavier und Orchester hingegen sind kein deskriptives Werk, sondern beruhen auf Francks eigener Inspiration. Das Werk beginnt mit einer Einleitung, in der Franck die Motive vorstellt, die er in einer meisterhaften Ansammlung von ununterbrochenen musikalischen Ideen entwickeln wird, die für den Pianisten sehr anspruchsvoll sind.
Zu den zu erwartenden Schwierigkeiten eines konzertanten Klavierwerkes kommt hinzu, dass die beiden Stücke eine fast übermenschliche Streckung der Hände erfordern, als ob Franck gedacht hätte, dass die Stücke nur von ihm gespielt werden sollten, einem Menschen, der seine Hände leicht bis zu einer Reichweite von 12 Tasten erstrecken konnte. Diese Schwierigkeit ist ausnahmslos ein Markenzeichen aller späten Klavierwerke Francks. Darüber hinaus kreisen sie um die Tonart Fis und enthalten unvermittelte Tonartmodulationen, was für den Interpreten eine weitere Herausforderung darstellt.
Franck hat in seinen Orchesterwerken häufig das Genre der symphonischen Dichtung verwendet, wie es auch auf Ihrem Album zu hören ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Komponisten, die die programmatische Idee stark in den Mittelpunkt ihrer symphonischen Dichtungen gestellt haben, scheint mir bei Franck die symphonische Idee immer im Vordergrund zu stehen, während die programmatische in den Hintergrund rückt. Da fragt man sich natürlich ganz offen: Warum hat dieser Komponist nicht einfach mehr Symphonien geschrieben?
FB: Für mich gehörte Franck zu einer Generation von Komponisten, die ihre musikalischen Ideen in neuen Formen ausdrücken mussten, und mit diesem Ziel vor Augen waren sie innovativ und schufen Gattungen wie die symphonische Dichtung. Man darf nicht vergessen, dass César Franck nicht der einzige Komponist seiner Zeit war, der in seinen Orchesterwerken nicht die klassische mehrsätzige Symphonie bevorzugte. Erinnern wir uns daran, dass Richard Wagner in seiner frühen Karriere nur eine Symphonie komponierte und Franz Liszt gar keine. Außerdem hat Franck mit seinen beiden einsätzigen Klavierkonzerten in dieser Aufnahme das Genre mit zwei einzigartigen und im Klavierrepertoire einmaligen Kompositionen erneuert.
FV: Wir dürfen nicht vergessen, dass die Symphonie eine musikalische Form ist, die eher mit der deutschen Musik identifiziert wird. Die einzige frühere französische Symphonie, die zu Francks Zeiten fest im internationalen Repertoire verankert war, war Berlioz’ Symphonie fantastique. Obwohl Franck zu den Gründungsmitgliedern der Société nationale de musique gehörte, die nach dem Deutsch-Französischen Krieg stark mit der Förderung des Nationalgefühls verbunden war, blieb er dennoch stets ein Bewunderer der deutschen Musik. Er verehrte insbesondere Beethoven und seine Behandlung der zyklischen Struktur. Nach großen Erfolgen mit den symphonischen Dichtungen komponierte Franck 1888 seine Symphonie in d-Moll, die 1889, nur ein Jahr vor seinem Tod, uraufgeführt wurde und sein letztes großes Orchesterwerk blieb. Ich glaube, dass Franck, wenn er länger gelebt hätte, sowohl Symphonien als auch symphonische Dichtungen geschrieben hätte, je nachdem, welche musikalische Form seinen kreativen Bedürfnissen entsprochen hätte.
Herr Varela, dieses Album ist Ihr Aufnahmedebüt als Dirigent. Bisher scheint sich Ihr Tätigkeitsfeld hauptsächlich auf Ihr Heimatland Argentinien und auch auf Spanien zu erstrecken. Vielleicht können Sie uns hier ein wenig mehr über Ihre bisherigen Tätigkeitsfelder erzählen?
FV: Obwohl dies meine erste Aufnahme ist, habe ich meine Karriere als Dirigent in den USA begonnen, nachdem ich vor 15 Jahren meinen Master-Abschluss an der Penn State University gemacht hatte. Ich habe wiederholt in Argentinien, aber auch in anderen Ländern Südamerikas dirigiert. Außerdem war ich künstlerischer Leiter verschiedener klassischer Musikreihen und -festivals in Argentinien. Als Verfechter von Orchesterinstitutionen und symphonischer Musik habe ich als Berater für das argentinische Kulturministerium und für das internationale Programm IBERMÚSICAS gearbeitet und das erste Forum für Symphonieorchester in Argentinien geleitet. Von 2017 bis 2021 war ich künstlerischer Leiter und Generaldirektor des Nationalen Symphonieorchesters Argentiniens. Derzeit bin ich geschäftsführender Direktor von RIOS – Red Iberoamericana de Orquestas Sinfónicas – ( Netzwerk iberoamerikanischer Symphonieorchester).
Meine Verbindung zu Spanien ist im Zusammenhang mit meiner bevorstehenden zweiten Aufnahme mit Orchester, in diesem Fall mit dem Anima Musicae Chamber Orchestra aus Budapest, und der Zusammenarbeit mit hervorragenden Solisten aus der ganzen Welt, darunter: Der argentinisch-amerikanische Pianist Fabio Banegas – in unserer zweiten Zusammenarbeit –, die tschechische Flötistin Jana Jarkovská, der österreichische Klarinettist Simon Reitmaier, der ungarische Schlagzeuger Miklós Szitha sowie die Geigerin Ana María Valderrama und der Bratschist David Fons aus Spanien. Dieses Projekt, das wir im April 2022 aufgenommen haben, wird die Weltpremiere von Werken des spanisch-argentinischen Komponisten Eduardo Grau (1919-2006) beim Label Naxos sein. Außerdem bin ich auch selbst Komponist und habe bei Melos Editorial veröffentlicht.
Herr Banegas, Sie sind für Ihre Aufführungen der wunderschönen Klaviermusik des argentinischen Komponisten und Dichters José Antonio Bottiroli bekannt geworden. Weniger bekannt ist, dass Sie auch einen großen Beitrag zur Erforschung des Gesamtwerks von Bottiroli geleistet haben, das Sie 2011 gesammelt und katalogisiert haben. Dabei kamen offenbar insgesamt 113 Kompositionen zusammen, die dank Ihrer Initiative erstmals als Werkverzeichnis der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Woher kommt das besondere Interesse und Engagement für den Komponisten Bottiroli?
FB: José Antonio Bottiroli (1920-1990) war mein erster wichtiger Lehrer, als ich ein Teenager war, und er wurde für mich zu einem lebenslangen Vorbild. Er wurde in Rosario, Argentinien, geboren, das auch meine Heimatstadt ist. Auf den ersten Blick war er ein auffallend eleganter und kultivierter Mann; hinter dieser Fassade verbarg sich jedoch ein bescheidener, großzügiger Mensch, der immer vom Leid anderer berührt war. So hat er beispielsweise zwanzig Jahre lang jeden Samstagmorgen im Staatsgefängnis von Rosario ehrenamtlich gearbeitet und den Insassen Musikunterricht erteilt. Seine Musik zu organisieren, sie zu veröffentlichen und aufzunehmen ist die beste Hommage, die ich ihm und dem musikalischen Erbe von Rosario erweisen kann.
Spannend ist ja auch Ihre ‘zweite Karriere’ als Pianist in Hollywood-Filmproduktionen. Wie kam es dazu und in welchen Filmen sind Sie zu sehen, einige Beispiele?
FB: Das hat sich ganz zufällig ergeben. Ich lebe in Los Angeles, genauer gesagt in Hollywood, dem Mekka der amerikanischen Filmindustrie. Dann haben einige befreundete Schauspieler herausgefunden, dass ich fotogen bin, das heißt, dass ich vor der Kamera in der Regel gut aussehe, egal, was ich trage. Sie schickten Bilder von mir an verschiedene Talentagenturen in Hollywood und ließen sie wissen, dass ich im Hauptberuf Pianist bin. Normalerweise suchen die Talentagenturen nach Leuten mit einem zusätzlichen Talent, und meins war das Klavier. Dann beschlossen zwei Agenturen, mich zu vertreten, die eine für Filme, die andere für Fotomodelle, und ich begann, zusätzliche Arbeit als Pianist, Schauspieler und Model zu bekommen. Ich bin bislang nur in Fernsehwerbung und Firmenfilmen aufgetreten, meist für Autofirmen – immer als Pianist –, unter anderem für Porsche. Die Ironie dabei ist, dass ich gar nicht gerne Auto fahre, mich auch nicht für Autos interessiere und ich nicht sicher bin, ob ich als guter Fahrer durchgehen würde. Ich mache diese Art von Arbeit auch nicht mehr, weil der Prozess des Vorspielens und die langen Arbeitstage in den Studios mich von meinem eigentlichen Interesse und meiner künstlerischen Berufung ablenken. Ich bin aber auch journalistisch aktiv, und mein großes Hobby ist das Sammeln argentinischer und lateinamerikanischer Kunst.