Zwei große französische Violinsonaten werden von zwei kleinen Extras umhüllt. Mit dieser Aufgabe haben sich Alina Ibragimova und Cédric Tiberghien nach den Mozart-Sonaten beschäftigt.
Die Sonate von César Franck ist sozusagen der Klassiker in diesem Programm. Ibragimova und Tiberghien gehen sie mit feinem Gespür für die Nuancen und auch die Linie der Komposition an. Anders als viele andere Einspielungen bleiben sie aber in den intensiven Partien eine Spur nobler und übertreiben nicht mit ihren Kraftausbrüchen. So erhält das Werk zwar Feuer, aber keines, das gebändigt bleibt. Die lyrischen Passagen spielen sie mit feiner Artikulation und Empfindsamkeit.
Franck und sein Schüler Vierne haben mindestens als Gemeinsamkeit, Organisten gewesen zu sein. Doch im Studium hatte Letzterer auch einen Preis als Geiger erhalten, so dass seine Verbundenheit auch mit diesem Instrument nicht überraschen kann. So hat der Auftraggeber Ysaÿe diese Werke in einem Konzert zusammen mit Beethovens ‘Kreutzersonate’ gespielt. Damit wurde die Sonate des jüngeren Franzosen geradezu in den Olymp der Gattung gehoben. In vielen Aspekten ähnelt die Sonate der seines Lehrers und zeigt doch viele Besonderheiten, die die eigene Position von Vierne bezeugen. So nutzt das Andante zwölftaktige Phrasen, wo doch achttaktige üblich sind. Und das Intermezzo an Scherzostelle zeigt die humorvolle Seite des Komponisten, es klingt wie aus einem Ballett.
Das ‘Poème’ von Ysaÿe mit Anklängen an Fauré führt gedanklich zu der Gruftszene aus ‘Romeo und Julia’, vereint alte und neue, stimmungsvolle und auch akrobatische Elemente zu einem gelungenen Ganzen. Das kurze ‘Nocturne’ von Lili Boulanger nimmt Bezug auf die deutlich früheren anderen Werke dieser Aufnahme, aber blickt auch zu Debussy. Nach einem Aufbäumen am Anfang fügt es sich abschließend in die Stimmung eines Nocturnes ein, als ohrenschließendes ‘petit four’ dieser Sammlung.