Der 16-jährige Ivan Bessonov beginnt mit sehr intimen, verträumt-poetischen Chopin-Interpretationen. Die beiden Mazurken und die Etude op. 10/3 sind bezaubernd.
Mit der Etude op. 10/12 und der ‘Grande Valse’ op. 42 zeigt Bessonov, dass er durchaus mehr kann, er zeigt aber nicht nur Virtuosität, sondern interessiert den Zuhörer mit sehr persönlichen, ja direkt unkonventionellen Phrasierungen und Akzentuierungen. Sie zeigen, dass er sich Chopin nicht einfach nur hingibt, sondern sich sehr genau mit der Materie auseinandersetzt und eigene Ideen entwickelt. Brillant, mit fantasievollem Rubato und feinen dynamischen Nuancen spielt er auch die ‘Fantasie-Impromptu’.
Das Nocturne und die Polonaise gefallen mir weniger, weil es beiden Stücken an Kohärenz und Zusammenhalt fehlt. Von der Zweiten Sonate liefert der junge Pianist ebenfalls eine an sich wegen interessanter Ideen spannende Interpretation, die aber auch nicht ganz ausgereift ist, weil Bessonov nicht architektonisch, sondern eher anekdotisch und nicht transparent genug interpretiert. Außerdem zeigen sich vor allem in der Sonate die Grenzen des Steinway-Flügels, auf dem diese Aufnahmen gemacht wurden. Im Forte klingt das Klavier stumpf und kann den Klang nicht gut ausschwingen lassen. Das könnte allerdings auch durch die Raumakustik oder die Mikrophonierung bedingt sein.
Ivan Bessonov beschließt sein Programm mit drei kleinen Stücken aus der eigener Werkstatt, die vor allem seinem Motto entsprechen, ‘schöne Musik’ zu komponieren.
Trotz der gemachten Einschränkungen ist kaum zu bestreiten, dass dieser sechzehnjährige Pianist ein großartiges Talent ist, und man wird ihn im Auge behalten müssen.