Tarare ist eine Oper in fünf Akten mit einem Prolog, die von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais (Libretto) und Antonio Salieri (Musik) erschaffen wurde. Das von den Ideen der Aufklärung geprägte, subversive Werk wurde in Paris zwei Jahre vor der Revolution uraufgeführt. Die Oper spielt in einer orientalischen Despotie. Somit hat das Werk einen gesellschaftlichen Subtext, der auch ganz gezielt Pariser Größen, wie einen Bankier, bloßstellt. Aber das hat, zusammen mit dem geschickten Marketing von Beaumarchais, zum Erfolg des Werkes beigetragen und nicht etwa die Zensur auf den Plan gerufen.
Die Handlung ist kaum kurz darstellbar: Die Natur zeigt dem Genius des Feuers die Schatten ungeborener Menschen, deren Anlagen sie aus denjenigen unzähliger Generationen mischt, um daraus eine neue zu formen. Sie bezeichnet es als lächerlich, wenn die Mächtigen und Großen glaubten, aus besserem Stoff zu sein als ihre Mitbürger. Sie lässt den Genius des Feuers entscheiden, ob Atar oder Tarare – die Ähnlichkeit der Namen weist auf die von der Aufklärung postulierte Gleichheit der Menschen hin – König werden soll. Im Bewusstsein, mit einer Fehlentscheidung ein Jahrhundert zu beeinflussen, wählt er Atar. Tarare wird Soldat. Auf dieser Ausgangslage wird Atar zum tyrannischen König. Er hasst den ebenso tugend- wie heldenhaften Milizenführer Tarare, beneidet ihn um seine Beliebtheit und um seine Frau Astasie, mit der der eine glückliche Ehe führt. Atar schikaniert Tarare u. a. damit, dass er dessen Frau Astasie seinem Harem einverleibt. Nach allerlei Entwicklungen, revoltiert endlich das Volk gegen den Tyrannen und Tarare und Astasie werden das neue Königspaar. Die Natur und der Genius des Feuers sanktionieren den Akt. Am Ende der Oper verkünden sie das Ergebnis: « Mensch! Deine Größe auf Erden ist mitnichten dein Stand, sondern allein dein Charakter.“
Tarare bedeutet Irrsinn und dafür steht die Handlung. Aber faktisch handelt es sich um ein bedeutendes Werk, dass mit Beaumarchais einen wohlbekannten und angesehenen Textdichter und mit Salieri einen ebenso hochgehandelten Komponisten auf seiner Seite wusste. Das instruktive Beiheft gibt zur Vor- und zur Aufführungsgeschichte ausführliche Erläuterungen. Trotz der von Beaumarchais geforderten Vorherschafft des Wortes ist es Salieri gelungen, seine dritte Oper für Paris zu einem kompositorisch abwechslungsreichen und reifen Werk zu gestalten. Vor allem gesprochene Passagen deuten darauf hin, dass sich hier Beaumarchais durchgesetzt hat, um eine klare Artikulation zu ermöglichen.
Mit gewohnt sorgfältiger Akkuratesse und großer Spielfreude widmen sich Rousset und sein Orchester Les Talens Lyriques auch dieser Partitur. Sie erfüllen dabei den Wunsch des Librettisten, dem Wort den Vortritt zu lassen, wobei man das natürlich auch aufnahmetechnisch gestalten kann. Das ist aber keine Einschränkung für die Musiker, immer dann befreit aufzuspielen, wenn es erforderlich ist. Dafür stehen beispielweise die Momente, in denen, dem Sujet und dem Zeitgeschmack entsprechend, Janitscharenmusik mit großem Blech erklingt. Aber auch die feineren Augenblicke bewältigen sie farbnuanciert und aufmerksam.
Genauso engagiert und auf ausgezeichnetem Niveau agieren die zehn Gesangsstimmen sowie der bestens einstudierte Chor. Es bietet sich hier nicht an, einzelne Sänger oder Sängerinnen heraus zu heben, da alle Beteiligten eine famose Partie hinlegen und sich bestenfalls an ein zwei Stellen über die stimmliche Ausformung diskutieren ließe. Ein wenig spitz und hart wirkt allein die Stimme von Judith van Wanroij als Natur und Spinette. Aber es zeigen sich keine Fehler oder Schwächen, so dass die Ensembleleistung auch hier beeindruckend ist.
Vom Publikum wurde die Oper bei ihrer Uraufführung und nachfolgenden Darbietungen gefeiert. Leider haben die Französische Revolution einerseits und die Treue von Salieri zum Habsburger Herrscherhaus andererseits weitere Aktivitäten dieses Komponisten in Paris verhindert. Wer weiß, was anderenfalls von ihm an meisterhaften Kompositionen noch komponiert worden wäre.