Personal Demons; Lowell Liebermann: Gargoyles, op. 29 + 4 Apparitions, op. 17 + Nocturne Nr. 10, op. 99; Miloslav Kabelac: Eight Preludes, op. 30; Franz Schubert: Variationen über ein Thema von Anselm Hüttenbrenner D. 576; Ferruccio Busoni: Fantasia Contrappuntistica; Franz Liszt: Totentanz S 525; Lowell Liebermann, Klavier; 2 CDs Steinway & Sons STNS 30172; Aufnahme 08+11/2020, Veröffentlichung 05/02/2021 (117'49) – Rezension von Remy Franck
Auf dem Solo-Debutalbum des amerikanischen Komponisten und Pianisten Lowell Liebermann (*1961) sind eigene Werke sowie Musik von Schubert, Liszt, Busoni und Kabelac zu hören, wobei die Kompositionen der drei erstgenannten Liebermann seit vielen Jahren derart verfolgt und beschäftigt haben, dass er sie als ‘persönliche Dämonen’ bezeichnet.
Gargoyles ist nach den Wasserspeiern von Notre-Dame in Paris benannt, ohne dass diese die Musik inspiriert hätten, denn der Titel kam als letztes. Aber passen tut er wirklich sehr gut. Die Musik ist spannend, pianistisch großartig und sehr ausdrucksvoll. Sie ohrvisuell mit den Gargouilles der Pariser Kirche zu verbinden fällt nicht schwer.
Der tschechische Komponist Miloslav Kabelac (1908-1979) wurde während der kommunistischen Diktatur in der Tschechoslowakei quasi totgeschwiegen. Er hat sich bis heute nicht davon erholt, denn in den Schallplattenkatalogen ist er nur spärlich vertreten. Die Acht Präludien hatte vor Lowell Liebermann nur Daniel Wiesner eingespielt. Der Amerikaner spielt zupackender und ausdrucksvoller, viel intensiver als der Tscheche Wiesner, und so kann man sagen, dass diese Präludien nun erstmals in einer wirklich packenden Interpretation vorliegen.
Auf dem ungemein sonoren, im Bass metallisch rauen Steinway gelingt Liebermann eine faszinierend virtuose und dämonisch-drängende Interpretation des Lisztschen Totentanzes. Die selten aufgenommene, weil höllisch schwierige Soloversion ist hier geradezu elektrisierend.
Mit ihrer irreal suggestiven Musik – es sind sozusagen Explosionen im Nebel – sind, Liebermanns Apparitions ein wirkungsvolles Stück, das zu Schuberts Hüttenbrenner-Variationen führt, deren manchmal direkt mysteriösen Charakter der Pianist sehr gut trifft, ohne die Virtuosität zu vernachlässigen, die in diesen Variationen sehr wohl enthalten ist.
Busonis halbstündige Fantasia contrappuntistica BV 256 von 1910 ist der Versuch, die letzte und fragmentarische Fuge Contrapunctus XIV aus Johann Sebastian Bachs spätem Zyklus Die Kunst der Fuge zu vollenden. Liebermann spielt sie klar artikuliert und ausdrucksvoll angereichert. Nach diesem ‘himmelstürmenden’ Busoni wollte Liebermann sein Programm mit seinem eigenen 10. Nocturne beenden, das er im Gedenken an Gian Carlo Menotti komponierte. Es ist ein stimmungsvolles und bewegendes Stück, welches das Programm dieser beiden beeindruckenden CDs sehr nachdenklich beendet.
The solo debut album of American composer and pianist Lowell Liebermann (b. 1961) features his own works as well as music by Schubert, Liszt, Busoni and Kabelac. The compositions of the first three have haunted and preoccupied Liebermann for many years to such an extent that he refers to them as ‘personal demons’.
Gargoyles op. 29 is named after the gargoyles of Notre-Dame in Paris, without them inspiring the music, for the title came last. But it really does fit very well. The music is exciting, pianistically attractive and very expressive. It is not difficult to connect it mentally with the gargouilles of the Paris church.
The Czech composer Miloslav Kabelac (1908-1979) was largely ignored during the communist dictatorship in Czechoslovakia. He has not recovered from this to this day, as he is only sparsely represented in recording catalogs. Before Lowell Liebermann, only Daniel Wiesner had recorded the Eight Preludes. The American’s playing is more gripping and expressive, much more intense than the Wiesner’s, and so it can be said that these Preludes are now available for the first time in a truly enthralling interpretation.
On the immensely sonorous Steinway grand, Liebermann succeeds in a fascinatingly virtuosic and demonically urgent interpretation of Liszt’s Totentanz. With Liebermann, the rarely recorded, very difficult solo version becomes downright electrifying.
With their unreal suggestive music – they are, so to speak, explosions in the mist – Liebermann’s Apparitions are an effective piece leading to Schubert’s Hüttenbrenner Variations, whose sometimes directly mysterious character the pianist captures very well, without neglecting the virtuosity that is very much contained in these variations.
Busoni’s half-hour Fantasia contrappuntistica BV 256 of 1910 is an attempt to complete the final and fragmentary fugue Contrapunctus XIV from Johann Sebastian Bach’s late cycle Die Kunst der Fuge. Liebermann plays it clearly articulated and expressively enriched. After this ‘heaven-storming’ Busoni, Liebermann wanted to end his program with his own 10th Nocturne, composed in memory of Gian Carlo Menotti. It is an atmospheric and moving piece that brings the program of these two impressive CDs to a very thoughtful close.