Dieses in der griechischen Mythologie angesiedelte Werk vermittelt dem Zuschauer, warum es kalte und warme Jahreszeiten gibt. Pluto, Herr der Unterwelt, findet Gefallen an Persephone. Als Perséphone schläft, raubt Pluto sie und bringt sie in die Unterwelt. Da er sie über die Maßen liebt, darf sie sogleich zur Herrscherin über die Schatten aufsteigen. Die Dunkelheit missfällt ihr und sie sehnt sich nach dem Frühling. Sie beschwert sich so lange, bis sie wieder auf die Erde darf und wiedergeboren wird. Nach einiger Zeit will sie wieder zurück, weil sie Mitgefühl mit den leidenden Schatten hat und meint, Verantwortung übernehmen zu müssen. Lange hält sie es dort unten aber nicht aus, und man lässt die Launische wieder ziehen. Ist sie in der Unterwelt, ist es kalt auf der Erde, kehrt sie zurück, kommt der Frühling.
Stravinsky, der Ballettkomponist schlechthin, schafft auch hier wieder von der Bewegung geprägte Musik. Dabei ist dieses Werk für Ida Rubinstein entstanden, die zwar aus der Equipe von Diaghilev stammt, aber ihre eigene Compagnie gegründet hatte. Ihr Wunsch, die Textvorlage von André Gide zu nehmen, führte zu einer schwierigen Zusammenarbeit der beiden sehr unterschiedlichen Künstler, die aber letztendlich nur mit Vermittlung erfolgreich war. Grund war die Sicht des Komponisten, die Musik nach seinen Bedürfnissen zum Klang zu gestalten und weniger auf den Inhalt zu fokussieren.
Eine Spezialität des Komponisten, Gattungen zusammen zu bringen, wird hier auch mit Chor, Lied, Melodram und Tanz sowie Pantomime erreicht. Diese Vermischung hat vielleicht dazu geführt, dass dieses Werk weniger beliebt ist. Die Hauptprotagonistin wird durch eine Sprechrolle verkörpert, die auch in der zurückgenommenen Dynamik gespiegelt wird. Damit handelt es sich im Vergleich zum ‘Sacre du Printemps’ um eine Frühlingsfeier ohne Exzesse. Die andere Figur, Eumolphe, ist ein Mönch, dessen Partie gesungen wird und der eine Art Erklärerrolle hat. Dazu treten Chorpartien, auch Kinderchor, die ebenfalls erläuternde Aufgaben übernehmen.
Pauline Cheviller vermittelt die Rolle mit bemerkenswerter Klarheit und Verständlichkeit. Die dagegen kraftvolle Tenorpartie des Eumolphe wird von Andrew Staples eindrucksvoll dargestellt. Die im Zusammenhang harmonischsten, manchmal federleichten Partien liegen beim Chor. Das groß besetzte, aber oftmals kammermusikalisch eingesetzte Orchester zeichnet dagegen für die scharfen Attacken verantwortlich. Diese beiden Seiten erzeugen eine besondere teilweise fahle Stimmung, die die Gegensätze aus Ober- und Unterwelt spiegeln.
Esa-Pekka Salonen leitet Erwachsenen- und Kinderchor sowie das Orchester der Finnischen National Oper mit sicherer Hand und gibt diesem selten zu hörenden Werk eine dichte und ansprechende Deutung, die die lyrischen Passagen bestens ausleuchtet.