Seit Radu Lupu hat kein anderer Pianist mich in der 3. Klaviersonate von Johannes Brahms so bewegt wie der 55-jährige Matthias Kirschnereit in dieser neuen Aufnahme.
Ein dezidiertes, dunkel grollendes Allegro maestoso, ein zutiefst berührendes, sehr zärtlich formuliertes Andante espressivo mit feinsten Nuancen, sogar noch im ‘Flüstern’, ein rhythmisch außergewöhnlich spannend und einfallsreich strukturiertes Scherzo…, die drei ersten Sätze sind absolut hinreißend. Und auch in den beiden letzten gibt es eine gesunde Mischung von Leidenschaft und Poesie, von Drängen und Reflektion.
Kirschnereits Interpretation der 3. Brahms-Sonate ist reich gefüllt mit neuartig klingenden Formulierungen, originellen Farben und Schattierungen, dynamischen Nuancen und Rubato, und dennoch klingt sie nicht recherchiert, sondern ganz organisch und völlig angepasst an die Tonsprache des Komponisten. Und, noch wichtiger, trotz der wohl minutiösen Vorbereitung klingt das Spiel Kirschnereits immer sehr spontan, manchmal sogar fast improvisatorisch.
Sehr spannend ist auch das Scherzo der ‘FAE-Sonate’, der Beitrag von Brahms zu einem kollektiven Geburtstagsgeschenk für den Geiger Joseph Joachim, in dem Lena Neudauer nicht weniger expressiv spielt als der Pianist.
Auf der 2. CD des Albums ist das f-Moll-Klavierquintett enthalten, das Kirschnereit gemeinsam mit dem ‘Amaryllis Quartett’ spielt. Und diese Interpretation ist nicht weniger interessant und packend. Auffallend ist zunächst die Transparenz der Musik, die ungewöhnlich durchsichtig wirkt. Aber dies ist nur die Grundlage für ein hoch expressives und intensives Musizieren, in der die Höhen und Tiefen und das ganze Drama des Quintetts mit allen zur Verfügung stehenden Gestaltungsmitteln und einer bemerkenswerten Spontaneität herausgearbeitet werden.
Schließlich soll auch erwähnt werden, dass die Tonaufnahme von sehr guter Qualität ist, sowohl was die Solo- als auch die Duo- und Quintettaufnahmen anbelangt.