Eine ungewohnte, wenn nicht gänzlich neue Sicht auf das Requiem von Mozart gibt diese Aufnahme, die im Rahmen des Festivals ‘Dialoge’ der Stiftung Mozarteum Salzburg entstand.
Zum einen wird das Requiem in seiner sozusagen reinen Mozartform aufgeführt. Es werden also nur die Teile präsentiert, die aus seiner Feder stammen. Alle späteren und bis heute umstrittenen Ergänzungen, seien sie von Eybler, Süßmayr oder anderen, bleiben außen vor. Dadurch kommt es zu einem ungewohnten Hörerlebnis, das durch die weiche pastellfarbene Interpretation eine sanfte Deutung erfährt. Andere Darstellungen, wie etwa am anderen Ende von Bernstein, sind da deutlich theatralischer und effektheischender oder wie die von Originalklagensembles pointierter und schärfer in der Darstellung.
Der Bachchor und das Mozarteum Orchester aus Salzburg folgen der Sicht des Dirigenten Ivor Bolton mit sicherem Gespür für dessen Gesamtanlage. Wie schon erwähnt, ist das Bild eher pastellfarben in mildes Licht getaucht als mit extrovertierte Spitzen formuliert. Die Solisten folgen diesem Weg. Sie lassen ihre Stimmen mit punktuell gewöhnungsbedürftiger Artikulation erklingen.
Diese zurückgenommene weiche Deutung des Requiems fügt sich gut zu den Teilen moderner Natur. Diese hat der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas als Klangräume benannt. Sie werden als Zwischenspiele zwischen die Sätze des Mozartwerks eingefügt. Die anfängliche Ablehnung des Zeitgenossen, dem Requiem etwas hinzuzufügen, hat dann doch in eine Lösung gemündet. Hass verwendet bis auf eine Ausnahme, das ‘quam olim da capo’ im letzten Klangraum, keine direkten textlichen Bezüge zu der Vorgabe. Vielmehr liegt seinem Anteil der Text des Antwortbriefes des Magistrats der Statdt Wien auf die Bewerbung Mozarts um die Position als Helfer des Domkapellmeisters zugrunde. Während Mozarts Text um Abschied und Sterben kreist, zeichnet sich das Magistratsschreiben durch eine kalte Amtssprache aus.
Mit seiner Besetzung richtet sich Haas am Requiem aus, weicht aber ab, in dem er keine Gesangssolisten besetzt, beim grundsätzlich auch vierstimmig geführten Chor bis zu sechzehnfach teilt und das Schlagwerk stark erweitert. Letzteres spielt beispielsweise im fünften Klangraum eine besondere Rolle, da er dem Lacrimosa nur Geräusche, also keine Töne folgen lässt. Mit seiner mikrotonalen und den ruhigen Gestus pflegenden Musik bietet Haas ein völlig anderes Klangbild als Mozart und trotzdem fügt sich diese sensible Kommentierung dicht in das ältere Werk ein. Die Einschübe und das verwobene Ganze sind auch bei mehrmaligem Hören eine spannende Erfahrung.