Die Geschichte von Orpheus, der seine Eurydike aus dem Totenreich zurückholen möchte, weil sie sich so lieben, und dabei versagt, weil er sich entgegen der Vorgabe nach ihr umsieht, darf wohl als bekannt angesehen werden. Um diese Handlung rankt diese möglicherweise allererste Oper überhaupt. Claudio Monteverdi war auch insoweit Wegbereiter.
Paul Agnew, der als Dirigent und Regisseur, aber auch als Sänger und Schauspieler auftritt, hat diese Vielseitigkeit auch auf andere Sänger übertragen, die größtenteils mehrere Rollen besetzen. Aber darüber hinaus hat er sich einiges einfallen lassen. So ist der Chor klein besetzt und auch daraus ergibt eine Beschränkung oder auch Verkleinerung. Die vielleicht größte Besonderheit ist, dass er das Orchester, wiederum in kammermusikalischer Besetzung, als Protagonisten mit auf die Bühne nimmt und nicht in den Orchestergraben verbannt. Die immobilen Instrumente werden an den Bühnenrand drapiert, die kleineren sind Teil des Ensembles und bewegen sich auf der Bühne. Das bedeutet, dass sie auswendig spielen müssen, was der Musik eine besondere Intensität verleiht. Das ohnehin erstklassige Ensemble ‘Les Arts Florissants’ intensiviert mit dieser neuen Herausforderung sein Spiel noch mehr.
Das Bühnenbild ist minimalistisch mit der Andeutung eines Menhirkreises bestückt, die die Form von Hinkelsteinen haben. Ein weiteres wesentliches Element ist die Beleuchtung. Dem Sujet entsprechend, also dem Toten- oder Schattenreich, wird neben normaler realer Ausleuchtung zeitweise eine Schattenspielvariante gewählt. Damit liegt keine klassische Inszenierung vor, sondern der geglückte Versuch, durch Interaktionen die Beziehungen der Protagonisten zu zeigen.
Herausragend bei der Sängerriege ist die vorzügliche Mezzosopranistin Lea Desandre. Die perfekt phrasierende Sopranistin Miriam Allan, die subtile Emotion zeigende und glockenhell artikulierenden Hannah Morrison gehören zur weiblichen Seite der herausragenden Sängerriege. Die männliche Seite haben Antonio Abete als profunder Plutone, Cyrill Costanzo als markanter Caronte sowie für den Orfeo der expressive Cyril Auvity übernommen. Paul Agnew gefällt neben seinen anderen Aufgaben durch die kultivierte Gestaltung der Rolle des Apollo. Auch die anderen Sänger inklusive Chor tragen ihren wichtigen und vorzüglichen Anteil zum Gesamteindruck bei.
Die makellose Technik der Aufzeichnung ergänzt dieses Erlebnis.