Zur Schaffenszeit Sibelius’ oder danach in Finnland eine Symphonie zu schreiben, stellte und stellt eine Herausforderung dar, die hierzulande beinahe mit der Zeit nach Beethoven vergleichbar ist. Auch Sibelius’ Violinkonzert bildete schnell unangefochten die Spitze aller finnischen Konzerte, wenngleich es sich erst nach einiger Zeit international etablieren konnte. Dieses Werk mögen sie nicht erreichen, doch wurden seitdem einige bezaubernde Konzerte in diesem Land geschrieben, die von der Substanz dem Sibelius-Konzert nahestehen – zwei davon sind auf dieser CD zu hören.
Beide Konzerte – sowohl das von Einar Englund von 1981 als auch das Uuno Klamis von 1943/1954 – könnten aufgrund ihres klassischen dreisätzigen Aufbaus und ihrer musikalischen Nachvollziehbarkeit und Stringenz in Bezug auf Melodie, Harmonie und Rhythmus – Das H2O der Musik, wie der schwedische Komponist Anders Eliasson diese Grundpfeiler aller Musik nannte, die sich immer im Fluss zu befinden haben – als traditionalistisch gelten, und sind doch auf ihre Art modern im Sinne von einzigartig und erneuernd im Stil.
Die nordische Schwermut ist zentrales Merkmal beider Konzerte, bei Englund sogar noch mehr als bei Klami, der zumindest einige Hoffnungsschimmer durchblitzen lässt. Auch das Primat der Musik vor der Virtuosität verbindet diese beiden Werke. Englund bezieht insbesondere im ersten Satz volksmusikalische Elemente mit ein, verbreitet Lyrik und Melancholie, die immer nach unten zieht in eine stete Hoffnungslosigkeit. Erkennt man bei Englund am ehesten noch Einflüsse von Shostakovich, so ist es Prokofiev, der durch seinen beißenden Sarkasmus gerade das Finale von Klamis Konzert prägte. Der Beginn von Uuno Klamis Violinkonzert ist einer der mitreißendsten in der gesamten Literatur, solch ein Aufbau und eine Unheilsbeschwörung, die immer dichter und dichter wird, bis die Violine scheinbar aus dem Nichts vor einem steht. Bei Klami sind Violine und Orchester noch als Gegenpole zu verstehen, die mit- oder gegeneinander wirken können; Englund lässt die Violine teilweise direkt gegen die absolute Übermacht des Orchesters ankämpfen. Es ist fast wie ein Bild von einem kleinen Boot (Violine), welches auf dem brodelnden Ozean (Orchester) schwimmt und immer und immer wieder von den tosenden Wellen überrollt wird, bevor es wieder an der Oberfläche auftauchen kann.
Sowohl der Solist Benjamin Schmid als auch das ‘Oulu Symphony Orchestra’ unter Johannes Gustavsson verfügen über unbändige Kraft, die jedoch im Zaum gehalten wird und nicht willkürlich losgaloppiert. Einer Raubkatze gleich wird die Energie auf den richtigen Moment fokussiert und gebündelt entladen. Das der Musik innewohnende Pathos nutzend, lässt Schmid schier endlose Melodieströme auf vollkommen losgelöste und natürlich-freie Art entstehen, geradezu als wäre es improvisiert. Das Orchester ist gleichwertiger Partner und verschmilzt wunderbar mit dem Solisten. In seinem kompakten Zusammenspiel wirkt es (gemeinsam mit Schmid) oft wie ein einziges Instrument, das sich flexibel allen Situationen der Musik anzupassen vermag.