Mit dem eigenen Label versucht das Oslo String Quartet, die Zuhörer auch aufnahmetechnisch in seine Mitte zu nehmen, um den intensiven Charakter des Spiels in einem Quartett sehr eng miterleben zu können. Dabei setzten sie sich dem Umstand aus, sich schonungslos zeigen zu müssen, was für Lauschende ebenso bereichernd wie anstrengend sein kann.
Bei der Auswahl der Werke für die Premiere des Labels haben sie die Erstlinge von Britten und Ligeti mit dem dritten Quartett ihres Landmannes Asheim zusammengeführt. Dieses Learn to wait des 1960 in Oslo geborenen Nils Henrik Asheim entstand während der Corona-Pandemie. Es folgt strukturell einem norwegischen Volkslied, dessen Tonhöhen die Grundlage der Akkorde liefern. Um einen zentralen Akkord herum gestaltet verändert es sich wie das Lied nur sehr langsam. Die Oszillation aus 32 Akkordwechseln wechselt zwischen festen und flüssigen Zuständen, indem der Akkord sein eigenes Echo erforscht. Inhaltlich verhandelt das Lied die ehelichen Beziehungen zwischen Bergen und Gletschern. Erst am Ende, verteilt auf die vier Instrumente, offenbart sich die Melodie des Liedes.
In den beiden neuen Klassikern, also bei Britten und Ligeti, formulieren sie ebenso zarte und zerbrechliche Augenblicke wie sie auch energetisch geladene Aussagen treffen. Mit einem alle Schönheiten ihres Spiels offenlegenden Ansatz, der allen vier Stimmen eine glasklar singuläre Wahrnehmbarkeit verschafft und gleichzeitig die Stimmen zusammenführt, binden sie das Hören mitten in das Ensemble ein.
Im ersten Satz von Britten alternieren sie das Wechselspiel der immer wiederkehrenden Einleitung im Tempo Andante, der sie den Reiz der körperlosen hohen Toncluster über den in Terzen gesetzten Celli-Pizzicati schwebend entlocken, mit der erdigen Energie des Allegro, dessen Drängen in den Andante Passagen seine Bremse findet. Ebenso beleuchten sie im zweiten Satz den fordernden Marsch, bevor sie in der heiteren Ruhe des langsamen Satzes wie im Wiegen von Booten im Mondenschein, also bei Peter Grimes, landen. Das Finale bereiten sie mit frappierend brillant entladener Energie und Ausgelassenheit.
Das wegen der kommunistischen Diktatur in Ungarn und damit totaler Isolierung zunächst nur für die Schublade komponierte erste Quartett Métamorphoses nocturnes von György Ligeti wurde von den mittleren Quartetten von Bartok, damals auch verboten, angeregt. Das Oslo String Quartet hebt die Modernität aus Melodik, Harmonik und Rhythmik, zeigt aber auch den traditionellen Ansatz der Artikulation der Form. Das Ensemble entwickelt die Charaktervariationen ohne eigentliches Thema mit überzeugender Sicherheit in der Gestaltung und ebenso geschickter wie sich dem Stück annehmender Bereitschaft und formt die Vereinigung von Modernität und Tradition zu einer ausdrucksstarken Einheit.
With its own label, the Oslo Sring Quartet also tries to take the listener into its midst in terms of recording technology in order to be able to experience the intense character of playing in a quartet very closely. In doing so, they expose themselves relentlessly, which can be both enriching and exhausting for listeners.
When selecting the works for the label’s premiere, they brought together the first works by Britten and Ligeti with the third quartet by their compatriot Asheim. This ‘Learn to wait’ by Nils Henrik Asheim, born in Oslo in 1960, was composed during the coronavirus pandemic. Structurally, it follows a Norwegian folk song, the pitches of which provide the basis for the chords. Like the song, it changes very slowly around a central chord. The oscillation of 32 chord changes alternates between solid and liquid states as the chord explores its own echo. In terms of content, the song deals with the marital relationship between mountains and glaciers. The melody of the song is only revealed at the end, distributed among the four instruments.
In the two new classics, Britten and Ligeti, they formulate tender and fragile moments as well as energetically charged statements. With an approach that reveals all the beauty of their playing, giving all four voices a crystal-clear, singular perceptibility and at the same time bringing the voices together, they integrate the listener right into the ensemble.
In Britten’s first movement, they alternate the interplay of the recurring introduction in the Andante tempo, from which they elicit the charm of the disembodied high tone clusters floating above the cello pizzicati set in thirds, with the earthy energy of the Allegro, whose urgency finds its brake in the Andante passages. They also illuminate the demanding march in the second movement before landing in the serene calm of the slow movement, as in the swaying of boats in the moonlight, i.e. Peter Grimes. They prepare the finale with astonishingly brilliantly discharged energy and exuberance.
György Ligeti’s first quartet Métamorphoses nocturnes, initially composed only for the drawer due to the communist dictatorship in Hungary, was inspired by Bartok’s middle quartets, which were also banned at the time. The Oslo String Quartet emphasizes the modernity of melody, harmony and rhythm, but also demonstrates the traditional approach to articulating the form. The ensemble develops the character variations without an actual theme with convincing confidence in the design and a willingness to embrace the piece that is as skillful as it is embracing, shaping the union of modernity and tradition into an expressive unity.