Der junge lettische Pianist Daumants Liepins (*1994) sagt über seine Debüt-CD, die er dieses Jahr aufgenommen hat: « Wie viele von uns habe auch ich während der Pandemie mehr Zeit in der Natur verbracht. Ähnlich wie Imants Zemzaris und Konstantin Treplyov (Hauptfigur in Chekhovs Die Möwe, An. Der Red.) dachte ich auf meinen langen Spaziergängen in der Nähe meiner Wohnung viel über die Aufgabe der Kunst in der Welt nach, ich hörte die Rufe der Möwen vor dem Hintergrund des Meeres und ich spürte wirklich die Macht des Elements Wasser, genau wie in der Musik Rachmaninovs. Und genau darum geht es in diesem Album, um die Majestät der Natur und die Zerbrechlichkeit der Seele ».
Daumants Liepins’ erste CD beinhaltet u.a. die Ersteinspielung der 3. Sonate, ‘Möwe’, von Imants Zemzaris, die sich auf das gleichnamige Drama von Anton Chekhov bezieht.
Das Stück spielt um 1895 im zaristischen Russland. Der junge Konstantin Treplyov, möchte Schriftsteller werden und hat ein kleines Theaterstück geschrieben, welches bei einem Gesellschaftsabend aufgeführt werden soll. Die Hauptrolle spielt seine Geliebte Nina. Doch Treplyov wird dabei nicht nur, wie üblich, von seiner Mutter kritisiert, sondern verliert auch noch Nina an einen erfolgreichen Schriftsteller. Sie wird zwar Jahre später zu ihm zurückkehren, aber nicht um zu bleiben, woraufhin sich Treplyov erschießt.
Der erste Satz der Sonate beginnt wie ein morgendliches Naturbild, frisch und lieblich, doch im Andantino wird die Musik nebliger, unentschlossen, suchend, stellenweise auch zärtlich und sehnsuchtsvoll. Das Moderato ist neoklassisch und verspielt, eine Art Menuett, das einzelne dunkle Akkorde bedrängen. Die Musik wird dann immer schräger, rhythmisch verwirrend und insgesamt verstörend, obwohl das verspielte Anfangsthema immer wieder versucht, durchzubrechen, aber von dunklen Kräften daran gehindert wird. Das abschließende Andante beginnt mit einem Hammerschlag und entwickelt sich zunächst düster wie das Schicksal des jungen Schriftstellers, wird aber dann zunehmend dramatischer und endet illusionslos.
Zu dieser bereichernden Musik führt eine sehr nachdenkliche und verträumte Interpretation der zweiten der Etudes-Tableaux op. 39 von Rachmaninov, dessen Zweite Klaviersonate das auf einem guten Flügel sehr gut aufgenommene Programm beschließt. Das Allegro agitato spielt Liepins nicht aufgeregt, sondern mit perfektem Atem, wodurch das Auf und Ab der Gefühle besonders gut zum Ausdruck kommt.
Sehr gut gelingt ihm auch der zweite Satz mit seinem Wechsel von dunkler Turbulenz sowie purer Reinheit. Das Finale bekommt die nötige Leidenschaft und endet mit einem fast ekstatischen Triumph des Lichts.