In meinem CD-Archiv stehen über 30 Gesamtaufnahmen von Wagners ‘Ring des Nibelungen’, angefangen mit den legendären Schellack-Aufnahmen von 1920 – 1924 und dem berühmten ‘Potted Ring von HMV aus den Jahren 1927 – 32 (beide natürlich stark gekürzt), über die drei legendären Einsopielungen von Böhm, Solti und Karajan, den überschätzten Boulez-Ring mit einer grauenhaften Gwyneth Jones als Brünnhilde bis hin zum Ring-Schlusslicht, nämlich der maßlos enttäuschenden Wiener Aufnahme von Christian Thielemann. Dank Orfeo werden in regelmäßigen Abständen wichtige Rundfunkübertragungen der Bayreuther Festspiele in einem neuen Mastering wieder auf den Markt gebracht. Viele dieser Dokumente waren bei italienischen oder amerikanischen Firmen schon seit vielen Jahren erhältlich, allerdings meistens in klanglich bescheidenen Fassungen.
Nach den Ring-Aufnahmen mit Krauss (1953) und Knappertsbusch (1956) veröffentlicht nun Orfeo eine dritte Live-Aufnahme, und zwar diesmal aus dem Jahre 1961. In diesem Jahr (wie auch schon 1960) dirigierte Rudolf Kempe Wagners Tetralogie auf dem Grünen Hügel. Und man muss sagen, dass dieser Ring zweifelsohne zu fünf besten Gesamtaufnahmen gezählt werden muss, die auf dem Markt erhältlich sind. Vor allem ist Kempes feuriges Dirigat hervorzuheben, das dem betulichen Pathos eines Knappertsbusch diametral gegenübersteht und durch das ein neuer Wagner-Dirigierstil, ähnlich wie bei Solti und Böhm, eingeleitet wurde.
Kempe setzt mehr auf spannendes Musizieren, auf Transparenz und Dynamik, er spornt seine Sänger permanent zu Höchstleistung an. Und im direkten Vergleich mit Böhm, Solti und Karajan hat Kempe auch die besseren Sänger, resp. die selben Sänger in besserer Verfassung zur Verfügung. An erster Stelle muss man Birgit Nilsson (Brünnhilde) und Hans Hopf (Siegfried) nennen, die ohne Durchhänger diese beiden schwierigen Partien mit viel Stilgefühl und einer atemberaubenden Leichtigkeit bewältigen. Die Walküren-Brünnhilde wird von Astrid Varnay gesungen, auch hier muss man feststellen, dass dies eine der besten Aufnahmen dieser Partie von dieser Sängerin ist. Jérôme Hines und James Milligan als Wotan und Wanderer sind würdige Erben des legendären Hans Hotter. Hines besticht mit einer enorm warmen und Ehrfurcht gebietenden Stimme, während der am Anfang einer vielversprechenden Karriere stehender Milligan einen virtuosen und gewaltigen Wanderer gibt. Leider ist Milligan vier Monate nach seinem Bayreuther Debut durch einen plötzlichen Herzstillstand gestorben. Gerhard Stolze singt eine der besten, wenn nicht die beste Loge-Darstellung der Schallplattengeschichte und übertrifft hier seine schon phänomenale Interpretation bei Karajan. Der immer noch unterschätzte Fritz Uhl ist ein beeindruckender Siegmund, während Régine Crespin ihm als Sieglinde in nichts nachsteht. Otakar Kraus beeindruckt als Belcanto- Alberich, während sein ‘Bruder’ Herold Kraus keine Mühe hat, im ‘Siegfried’ dem stimmgewaltigen Hans Hopf Paroli zu bieten. Die beiden dunkel-dämonischen Figuren Hunding und Hagen finden in Gottlob Frick einen idealen Interpreten. Der Rest der Besetzung liest sich wie ein who’s who: Regina Resnik (Fricka), Grace Hoffmann (Waltraute und 2. Norn), Marga Höffgen (Erda), Thomas Stewart (Donner und Gunther), sowie David Thaw (Froh), Wilma Schmidt (Freia und Gutrune), Peter Roth-Ehrang (Fafner) und David Ward (Fasolt). Für mich persönlich ist dieser Kempe-Ring zu einem ganz besonderen Liebling geworden, und liegt jedenfalls weit vor Karajan, Solti und Janowski.
With one of the best ever casts, Rudolf Kempe’s Ring from the Bayreuth festival 1961 is an outstanding historical recording. The fiery conducting of Rudolf Kempe is diametrically opposed to the pathetic emotionalism of Knappertsbusch. And though it is only available in mono sound, it is truly a collector’s item.