Emil Gilels ist für mich einer der besten Beethoven-Interpreten aller Zeiten. Davon zeugt auch die Waldstein-Sonate op. 53, die anlässlich eines Klavierabends am 6 Dezember 1964 in Seattle aufgenommen wurde. Ein Beethoven, der sowohl vom kraftvollen Spiel der russischen Schule wie auch von Farbenreichtum und Gestaltungsfähigkeit lebt.
Es folgen virtuose Chopin-Variationen, erstklassig interpretierte Prokofiev-Stücke (Sonate Nr. 3, Vision fugitives), erstaunlich nuancierte, aber akzentreiche ‘Images I’ von Debussy und eine rundum gelungene Interpretation von Maurice Ravels ‘Alborada del graciosa’. Die ‘Danse russe’ von Stravinsky und Bachs ‘Prélude BWV 855a’ in der Bearbeitung von Siloti – hörenswert! – runden das abwechslungsreiche Programm ab. Gilels zeigt hier, dass er ein Meister aller Stile ist, wenn man ihm auch bei Chopin, Debussy und Ravel sicherlich andere vorziehen kann. Doch leider hört man bei dieser Aufnahme Gilels Kunst nur ansatzweise, vieles kann man nur erahnen, denn der Klang dieses Live-Konzertes ist alles anderer als gut. So bleibt dieses Seattle-Recital am Ende nur etwas für Gilels-Fans oder Klassiksammler.