Wenn wir von den großen Cellisten des 20. Jahrhunderts sprechen, denkt man kaum an den in Nizza geborenen Maurice Gendron (1920-1990). Grund genug, diesen wunderbaren Interpreten mit dieser CD-Box von Profil neu zu entdecken. Wenn es dem Bocklet (wie übrigens auch den anderen dieser historischen Reihe) an notwendigen Informationen fehlt, so sind die Aufnahmen willkommen. Und darum geht es ja eigentlich auch. Profil präsentiert dem Hörer Gendron sowohl im Konzertrepertoire wie auch als Kammermusiker. Und hier ist kein anderer als der französische Komponist Jean Françaix sein Partner auf dem Klavier. Somit gehören dann auch die beiden Cello-Sonaten op. 5/1 und op. 102/2 von Beethoven, die Arpeggione-Sonate D821 von Schubert und die Cello-Sonate op. 38 von Johannes Brahms zu den Höhepunkten dieser Veröffentlichung. Gendron besticht durch Stilgefühl und einen sehr lyrischen Ton. Françaix ist ein herausragender Begleiter und gleichwertiger Partner bei diesen Werken, denen man in diesen Interpretationen mit gutem Gewissen Referenzcharakter zusprechen kann. Wunderbar auch die Cellokonzerte Nr. 2 von Haydn und G.482 von Luigi Boccherini, bei denen ein anderer großer Cellist am Kopf des Orchestre des Concerts Lamoureux steht, nämlich Pablo Casals, der ein wirklicher Bewunderer von Gendrons Interpretationskunst war.
Mit den Wiener Symphonikern und Christoph von Dohnanyi hat Gendron das Cello-Konzert von Schumann und die Rokokovariationen von Tchaikovsky aufgenommen. Im Gegensatz zu den eher romantisch geprägten Interpretationen der Konzerte von Haydn und Boccherini herrscht hier ein frischerer Wind und eine modernere Herangehensweise vor, was sicherlich auch dem jungen, aufstrebenden Dirigenten von Dohnanyi zuzuschreiben ist. In diesem Sinne ist besonders das Schumann-Konzert hörenswert. Auch das Cellokonzert von Dvorak lebt von einer stringenten Vorgehensweise, wenn auch der hauptsächlich als Operndirigent tätige Karl Rankl interpretatorisch eher weniger zu sagen hat und sich auf eine recht effektvolle aber irgendwie zu pauschale Orchesterarbeit mit dem London Philharmonic Orchestra konzentriert. Aber Maurice Gendron ist in jedem Werk überragend, so dass diese Box eine willkommene Bereicherung des Katalogs ist.