Massenet: Werther (Pourquoi me réveiller, ô souffle du printemps?) + Manon (Instant charmant … En fermant les yeux); Donizetti: L'elisir d'amore (Una furtiva lagrima) + Lucia di Lammermoor (Tombe degli avi miei … Fra poco a me ricovero); Gounod: Roméo et Juliette (L'amour! l'amour! oui, son ardeur a troublé, Ah! lève-toi, soleil!); Verdi: La Traviata (Lunge da lei, De' miei bollenti spiriti) + Rigoletto (Ella mi fu rapita!) + Luisa Miller (Oh! fede negar potessi - Quando le sere al placido); Tchaikovsky: Eugen Onegin (Kuda, kuda, kuda vi udalilis); Gounod: Faust (Quel trouble inconnu me pénètre? …Salut! Demeure chaste et pure); Godard: Dante (Ah! De tous mes espoirs, Tout est fini; Berlioz: La Damnation de Faust (Nature immense, impénétrable et fière; Puccini: La Bohème (Che gelida manina); Benjamin Bernheim, Tenor, Prague Philharmonia, Emmanuel Villaume; 1 CD Deutsche Grammophon 4836078; Aufnahmen 2018/2019, Veröffentlichung 11/2019 (63'17) - Rezension von Remy Franck
Im 21. Jahrhundert hat es noch nicht besonders viele gute Tenöre im lyrischen Fach gegeben, und wer wirklich gute Interpreten in diesem Fach hören wollte, musste auf Aufnahmen aus dem 20. Jahrhundert zurückgreifen. Die manchmal angekündigten XY-Nachfolger haben sich ausnahmslos als früh verbrannte Flops erwiesen. Benjamin Bernheim wurde nicht als ‘Nachfolger’ angekündigt und macht seit einigen Jahren eine sicher und klug geführte Karriere, die ihn vor dem frühzeitigen Verbrennen bewahrt hat. Mit 34 dringt er jetzt an die Spitze vor. Das war das Alter, als auch Luciano Pavarotti, Alfredo Kraus oder Carlo Bergonzi bekannt wurden.
Seine Interpretation des Faust in der gleichnamigen Gounod-Oper hat allgemein Bewunderung hervorgerufen und war für mich die große Überraschung in dieser Aufnahme, die ja eigentlich als Überraschungsfaktor den Umstand haben sollte, dass sie die erste Einspielung der Urfassung der Oper ist.
Wie gut es war, dass Bernheim seine Stimme langsam reifen ließ, zeigt die Solo-CD, die er jetzt aufgenommen hat. Er singt darauf ein Programm mit vor allem ganz bekannten Arien des romantisch-lyrischen und Verismo-Repertoires. Das setzt ihn unmittelbar dem Vergleich mit den ganz Großen aus. Und er hält diesen Vergleich aus. Er hat quasi alles, was ein Tenor in diesem Repertoire braucht, viel mehr als nur eine wirklich feine Technik.
Das Stimmtimbre ist angenehm, leicht kernig im oberen Bereich, weicher im Mezzavoce-Gesang, nie metallisch hart. Seine Spitzentöne – und es gibt ihrer viele hier – sind sicher und klingen unangestrengt, auch in den ausgedehntesten Melodielinien. Diese stabile, über alle Register hinweg und vor allem bis ihn die schön geführte Kopfstimme hinein ausgeglichene Vokalführung wird durch ein gutes Atemmanagement ermöglicht, das auch die Legatobögen auf langem Atem zulässt, die so bewundernswert sind. Er bezaubert mit weichen Ansätzen, kann auch die Stimme mit Kraft in die Höhe schwingen und sie danach leicht wie eine Feder herunter schweben lassen.
Die Stimme ist also bestens ausgeglichen, frei und stilvoll, attraktiv und charakteristisch timbriert. Bernheim artikuliert auch perfekt, so dass man versteht, was er singt, ob im Französischen, seiner Muttersprachem, oder im Italienischen.
Doch dazu kommt noch etwas, was eben den großen Interpreten ausmacht, die Farben, die vokale Fantasie, die Fähigkeit, sich in Figuren hineinzuversetzen und den Gesang mit dem ganzen Körper, dem Geist und der Seele zu stützen. Es gibt auch auf dieser CD in so manchen Arien Stellen, wo das genuin Erotische der Tenorstimme zum Ausdruck kommt und beim Hörer die berühmte Gänsehaut hervorruft.
Ich will ganz bewusst Bernheim keine Nachfolger-Bezeichnung anhängen, aber ich sage ohne Umschweife, dass ich schon lange, ganz lange nicht mehr so begeistert von einer Tenorarien-CD war wie dieser. Ich habe mir den für einen Kritiker, der ständig sehr viele neue CDs auf Halde liegen hat, den schon fast unanständigen Luxus erlaubt sie, sie mir fünfmal anzuhören, um den wunderbaren Gesang tief in mir aufzunehmen. Bernheim, zurzeit noch lirico, hat aber wohl die Qualität, um einer der führenden Lirico-spinto-Tenöre des 21. Jahrhunderts zu werden.
In the 21st century there have not yet been many good lyric tenors, and anyone wanting to hear really good performances had to resort to recordings from the 20th century. The sometimes announced XY successors have without exception proved to be early burned flops.
Benjamin Bernheim was not announced as a ‘successor’ and has been pursuing a safe and wise career for several years, saving him from premature burning. At 34, he now advances to the top. That was the age when Luciano Pavarotti, Alfredo Kraus and Carlo Bergonzi also became famous.
His interpretation of Faust in the Gounod opera aroused general admiration and was for me the big surprise in this recording, while the real surprise should have been the fact that this is the first recording of the opera’s original version.
Bernheim has let his voice mature slowly and that was a wise decision, as we can hear on this CD with many well-known arias from the romantic-lyric and verismo repertoires. This exposes him directly to comparison with the great names. And he can stand this comparison. He has virtually everything a tenor needs in this repertoire, much more than just a really fine technique.
The timbre is pleasant, slightly grainy in the upper range, softer in the mezzavoce singing, never metallically hard. His top notes – and there are many of them here – are safe and effortless, even in the most extended melody lines. This stable vocal line – balanced across all registers and especially when he switches to his beautiful head voice – is made possible by a good breathing that also allows admirable long legatos. He amazes with soft attacks, he is able to lead the voice powerfully in the upper register and then let it float down like a feather. So, the voice is perfectly balanced, free and stylish, attractive and characteristically timbered. Bernheim has also a very good articulation, so that one understands what he sings, whether in French, his native language, or in Italian.
But there is even more. He has the colours, the vocal fantasy, the ability to embody a character and to support the singing with the whole body, the spirit and the soul. In many arias there are also passages where the genuine eroticism of the tenor voice is expressed and gives the listener the famous goose bumps.
I deliberately do not want to make Bernheim a successor, but I dare say that I haven’t been as enthusiastic about a tenor CD as this one for a long, long time. For a critic who constantly has a lot of new CDs on the pile, I have allowed myself the almost indecent luxury to listen to the Bernheim CD five times in order to absorb the wonderful singing deep inside me. Bernheim, currently still Lirico, probably has the quality to become one of the leading Lirico-spinto tenors of the 21st century.