Das Orchester aus Liège zeichnet sich bei seinen Einspielungen nicht nur dadurch aus, dass es sich als famos agierendes Ensemble mit hocherfreulichen Leistungen der Instrumentalisten, vom Solisten über Register bis zum ganzen Orchester zeigt, sondern auch selten zu hörendes Repertoire vorlegt und damit Anreize setzt, dass der Hörer seinen Horizont erweitert. So ist die Zahl der Einspielungen der Faust Symphonie von Franz Liszt überschaubar. Doch die der Urfassung von 1854 ohne abschließende Chorepisode tendiert gegen Null. Gergely Madaras und sein Orchester bieten nun diese frühe Version zusammen mit dem ersten Walzer aus den Episoden aus Lenaus Faust an.
Die Musiker glänzen wieder mit einem feinfühlig in das Werk hineinhörenden Auftritt, der großbesetzte Passagen ebenso beherrscht wie sorgsam ausformulierte kammermusikalische Abschnitte. Gern lässt man sich von der Homogenität und klaren Gestaltung des Spiels anregen und leiten. Das mag am Ansatz des Dirigenten liegen. Habe ich doch in letzter Zeit öfter den Eindruck gewonnen, dass ungarische Interpretationen die Partituren fein ausleuchten und nicht der großen, intensiven, genau gesetzten Geste hinterher jagen. Da mag man den Effekt missen, wird aber mit ausgeloteter Detailfreude belohnt, die dezenter zeigend in die musikalische Aussage eindringt.
Die drei Sätze der Symphonie bieten Portraits der Hauptpersonen des Faust von Goethe, allerdings als Charakterstudien und nicht als Handlung nacherzählende Programmmusik. Auch musikalisch bietet das Werk viel. Der längste erste Satz mit der Studie über Faust bietet eine Zwölftonreihe, als noch niemand an Dodekaphonie auch nur dachte. Und auch sonst rückt die Suche nach der Tonalität in diesem Satz die existentiellen Fragen des Faust ins Zentrum. Insgesamt verbindet Liszt das Formschema klassischer Symphonien mit seinen eigenen Ideen für symphonische Dichtungen, um schließlich auch für die anderen Sätze, Gretchen und Mephisto, noch Ansätze für die Leitmotivik eines Richard Wagner vorweg zu nehmen. Und Mephisto ist dann musikalisch keine Person aus sich selbst heraus, sondern wird mit durchgerüttelten Themen des Faust markiert.
Ein stimmungsvolles Beispiel für die Absichten von Liszt in der Gestaltung symphonischer Dichtungen zeigen die Beteiligten dann im Mephisto Walzer nach einer der anderen Faust Vorlagen, nämlich der von Nikolaus Lenau. Hier hat Gergely Madaras von den beiden vorliegenden Fassungen die mit dem effektvolleren Ende gewählt.
The Liège Orchestra distinguishes itself in its recordings not only by the fact that it is a splendid ensemble with highly gratifying instrumental performances by the musicians, from the soloists to the registers to the whole orchestra, but also by presenting repertoire that is rarely heard, thereby and thus encourages listeners to broaden their horizons. The number of recordings of Franz Liszt’s Faust Symphony is manageable. But those of the original version from 1854 without the final choral episode tends towards zero. Gergely Madaras and his orchestra now offer this early version together with the first waltz from the episodes of Lenau’s Faust.
The musicians once again shine with a performance that listens sensitively to the work, mastering large-scale passages as well as carefully formulated chamber music sections. It is a pleasure to be inspired and guided by the homogeneity and clarity of the playing. This may be due to the conductor’s approach. Recently, I have often had the impression that Hungarian interpretations illuminate the scores finely and do not chase after the grand, intense, precisely placed gesture. You may miss the effect, but you are rewarded with an exploration of detail that penetrates the musical statement in a more discreet way.
The three movements of the symphony offer portraits of the main characters in Goethe’s Faust, albeit as character studies and not as program music retelling the plot. The work also has a lot to offer musically. The longest first movement, with the study of Faust, offers a twelve-tone row at a time when no one was even thinking of dodecaphony. And the search for tonality in this movement also focuses on Faust’s existential questions. Overall, Liszt combines the formal scheme of classical symphonies with his own ideas for symphonic poems, in order to ultimately anticipate the leitmotifs of a Wagner for all movements, after Faust Gretchen and Mephisto. And Mephisto is then musically not a character in his own right, but is marked with shaken themes from Faust.
An atmospheric example of Liszt’s intentions in the composition of symphonic poems is then shown in the Mephisto Waltz based on one of the other Faust models, namely that of Nikolaus Lenau. Of the two versions available, Gergely Madaras has chosen the one with the more effective ending.