Im Rechtsstreit um Francis Poulencs Oper ‘Dialogues des Carmélites’ in der Inszenierung von Dmitri Tcherniakov an der ‘Bayerischen Staatsoper’, der von den französischen Erben von Poulenc und Bernanos angeregt wurde, gibt es eine Grundsatzentscheidung des Obersten französischen Gerichtshofs: die Künstlerfreiheit des Regisseurs wurde anerkannt, teilte die Staatsoper in München mit. « Die Kernaussage des Werkes wurde respektiert, weil die Nonnen dazu bereit waren, zu sterben, selbst wenn sie schließlich gerettet wurden. Daher kann Herrn Tcherniakov keine Entstellung des ursprünglichen Werkes vorgeworfen werden“, so Rechtsanwältin Judith Adam-Caumeil. Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper sagt: « Dieses Urteil war zu erwarten, und das Gericht hat damit anerkannt, dass Kunst immer Interpretation heißt.“
Die Aufführungen in der Saison 2020/21 werden demnach unverändert über die Bühne gehen. Zusätzlich wird die DVD der Produktionsfirma BelAir Media wieder erhältlich sein.
Die ‘Bayerische Staatsoper’ hat den schwierigen Sachverhalt folgendermaßen dargestellt: « Dem Urteil geht eine längere rechtliche Auseinandersetzung voraus, die im November 2012 seinen Anfang nahm: Zur Wiederaufnahme des Werkes war in Paris eine Klage unter Berufung auf das Urheberpersönlichkeitsrecht anhängig, mit der weitere Aufführungen untersagt werden sollten. Außerdem wurden die Produktionsfirma BelAir Media und der TV-Sender MEZZO verklagt mit dem Ziel, den Vertrieb der DVD bzw. die Ausstrahlung der in München aufgezeichneten Aufführung zu unterbinden. Die Nachkommen sind der Auffassung, dass die Umsetzung der Schlussszene durch den Regisseur Dmitri Tcherniakov das Werk von Bernanos und Poulenc abwandelt und entstellt. In der Neuinterpretation des russischen Regisseurs, die im März 2010 Premiere hatte, rettet die Hauptfigur Blanche de la Force ihre Mitschwestern vor dem Tod und kommt als Einzige ums Leben. Nach Meinung der Erben muss der Märtyrertod aller Nonnen zwingend szenisch umgesetzt werden, um die Kernaussage des Werkes zu treffen. Die Staatsoper hielt und hält eine Verletzung der von den Erben geltend gemachten Urheberpersönlichkeitsrechte für ausgeschlossen, da Text und Musik der Oper völlig unverändert sind.
In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Das ‘Tribunal de Grande Instance de Paris’ stellte ausdrücklich fest, dass die Inszenierung die Themen, die den Kern des Werks bilden, respektiert. In zweiter Instanz hat sich das Cour d’Appel de Paris (Oberlandesgericht Paris) auf den Standpunkt gestellt, dass „die Inszenierung der Schlussszene durch Tcherniakov eine Entstellung des Werkes von Georges Bernanos und Francis Poulenc darstellt und die damit verbundenen Urheberrechte verletzt“ werden. Dabei hat das Oberlandesgericht anerkannt, dass die Inszenierung der dem Autor so wichtigen Kernaussagen des Werkes wie Hoffnung, Martyrium oder Gnade Rechnung trägt. Die geforderte Absage der Wiederaufnahme wurde nicht realisiert, das Gericht gab der Klage aber statt in Bezug auf die Sendungen durch MEZZO-TV und den Vertrieb der DVDs.
Mangels gesetzlicher Grundlage führt der Widerspruch im Urteil jetzt zur Revision des Urteils des Oberlandesgerichts Paris vom 13. Oktober 2013. »