Während das Frühlingsopfer von Igor Stravinsky Musikgeschichte schrieb und auch heute regelmäßig aufgeführt wird, erlebte die ‘Opferung des Gefangenen’ von Egon Wellesz nur eine kurze Blüte. Wie so oft führte der Nationalsozialismus dazu, dass dieser Komponist vergessen wurde. Die bisher einzige neuzeitliche konzertante Aufführung hat auch zu dieser Ersteinspielung geführt.
Dieser Einakter um den Prinzen, der die Schlacht verloren hat und vom gegnerischen König hingerichtet werden soll, ist eher mit einem sicher erfüllenden Mechanismus als mit einer Handlung gestaltet. Dem Prinzen werden noch vier letzte Tänze als Gnade gewährt. Den fünften Tanz, den Abschied vor seiner Heimat, absolviert er auch noch. Nach der Hinrichtung und Opferung wird er in Gesängen von allen geehrt.
Wellesz war darauf aus, seelische Sphären auszuloten. Dazu hat er ein kultisches Drama für Tanz, Sologesang und Chöre geschaffen. Zusammen mit dem Ballett Achilles auf Skyros und der Oper Alkestis ist bildet die Opferung des Gefangenen eine heroische Trilogie. Letzter ist das gemeinsame Werk von Eudard Stucken, zu dessen Text der Choreograph Kurt Joos und Egon Wellesz die bühnenreife Umsetzung schufen.
Sich früh von seinem Lehrer Schönberg lösend hat er seinen eigenen kompositorischen Weg gefunden, der hier aus seiner eigenen Sicht eines der besten Werke hervorgebracht hat. Freitonal mit atonalen und polytonalen Elementen ist es sehr farbig mit großem Schlagwerk eingerichtet. Wie das Schlagzeug schon nahelegt, haben motorische Phasen prominenten Platz in der Komposition. Die Halle des Palastes und die Ehrerweisung werden einer Leitmotivik ähnlich vertont.
Diese kraftvolle und die Pracht beschreibende Musik des in Wien geborenen Komponisten haben nun dort beheimatete Künstler eingespielt. Der Dirigent Friedrich Cerha entlockt dem Radio Symphonie Orchester des ORF Wien die für dieses Werk notwenige Kraftentfaltung. Sie bewahren aber immer die Kontenance, um nicht konturlos massig oder ohne strukturelle Durchhörbarkeit zu agieren. Mit dem Bariton Wolfgang Koch wurde ein Prinz respektive Feldherr gefunden, dem trotz der für ihn aussichtslosen Situation auch stimmlich nicht nachgibt und ausdrucksvoll elegant bis zum Ende bleibt. Ivan Urbas als Ältester des Rates, also König, führt seine Rolle mit prächtiger, nicht dunkel triefender Stimme auf den Weg selbstbewusster adeliger Sicherheit. Eine wichtige Rolle kommt dem Chor zu, der Krieger, Sieger und Besiegte ebenso zu meistern hat wie Klagegesänge. Für diese verschiedenen Aufgaben steht mit dem Wiener Konzertchor eine hochklassige Singgemeinschaft, die dem Werk zusätzliche Farben und Impulse verleiht.
Entstanden ist eine überzeugende Darbietung mit technisch überzeugender Ausgestaltung, die dieses außergewöhnliche Werk zum Hören empfiehlt.