Die erste Sammlung von Capriccios für die Geige stammt von Pietro Locatelli. Über das Leben dieses Geigers und Komponisten ist wenig bekannt. Aus Bergamo stammend, sind Stationen in Rom sowie Reisen durch Italien und Deutschland bekannt. Zuletzt lebte er in Amsterdam. Teilweise als selbstgefälliger Angeber angesehen, war er jedenfalls sehr wohlhabend.
Die Capriccios stellen höchste technische Anforderungen an den Ausführenden. Denn Locatelli erweiterte die bis dahin bekannten Möglichkeiten des Instruments erheblich, wie es später Paganini tat. Darauf beschränken sich aber auch die Ähnlichkeiten. So sieht Locatelli sehr artistische Sprünge in diesen Capriccios vor, so im ersten Capriccio. Doch die Krönung wird im Zweiundzwanzigsten erreicht, wo Terzsprünge bis zum viergestrichenen Cis führen, um nach einem Abstieg erneut in engsten Fingerpositionen mit einem erneuten Gipfelritt gewissermaßen Unmögliches zu verlangen. In dem 10. Capriccio ist mit dem vierten Finger zu trillern und gleichzeitig auf der nächsttieferen Saite eine Staccatolinie zu spielen, vertrackt. Ein weiteres Beispiel bietet das 18. Capriccio, dessen dreistimmiges Fugenthema zwar für ein Tasteninstrument leicht, auf einem Streichinstrument aber eine Tortur ist.
Neben diesen technisch auf höchster Schwierigkeitsstufe stehenden Aspekten ist aber vor allem die gestalterische Fantasie gefordert. Zwischen dramatisch, tief empfunden und poetisch changieren die Stimmungen.
In diese so vielfältigen Fallstricke stürzt sich der italienische Geiger Luca Fanfoni mit einigem Gewinn. Wenn sein Spiel mitunter auch etwas harsch und eckig klingt, so mag das an der Umsetzung der Aufgaben liegen. Insgesamt aber bemächtigt er sich der diversen Aspekte bravourös und liefert eine nicht nur technisch beeindruckende, sondern auch die Emotionen herausmodellierende Deutung dieser Werke vor. Man hat zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass hier etwas etüdenhaft abgearbeitet wird, sondern die Vermittlung von Musik erfolgt.
The first collection of capriccios for the violin was written by Pietro Locatelli. Little is known about the life of this violinist and composer. Coming from Bergamo, stations in Rome and travels through Italy and Germany are known. Most recently he lived in Amsterdam. Sometimes regarded as a self-important braggart, he was in any case very wealthy.
The Capriccios place the highest technical demands on the performer. For Locatelli considerably extended the possibilities of the instrument known up to that time, as Paganini did later. However, the similarities are limited to this. Thus Locatelli provides for very artistic leaps in these Capriccios; so in the first one. But the crowning achievement is reached in the Twenty-second, where leaps of thirds lead up to the C4-sharp, only to demand the impossible, so to speak, after a descent again in the narrowest finger positions with a renewed ride to the summit. In the 10th Capriccio, trilling with the fourth finger while playing a staccato line on the next lower string is tricky. Another example is offered by the 18th Capriccio, whose fugue theme for three voices, while easy for a keyboard instrument, is an ordeal on a string instrument.
In addition to these aspects, which are technically at the highest level of difficulty, it is above all the creative imagination that is called for. The moods alternate between dramatic, deeply felt and poetic.
The Italian violinist Luca Fanfoni plunges into these so many pitfalls with some profit. If his playing sometimes sounds a bit harsh and angular, this may be due to the realization of the tasks. Overall, however, he handles the various aspects brilliantly and delivers an interpretation of these works that is not only technically impressive but also models the emotions. At no time does one have the impression that something is being worked through in an etude-like manner, but rather that music is being conveyed.