Frank-Peter Zimmermann hat seine frühen Aufnahmen bei EMI gemacht, und Warner Classics bringt sie nun in einer Box mit 30 CDs auf den Markt. Sie entstanden zwischen 1984 und 2001, also als Zimmermann zwischen 19 und 36 Jahren alt war. Die meisten Aufnahmen wurden bei ihrer Erstveröffentlichung im Pizzicato besprochen, und wir bringen diese Originaltexte nun zum ersten Mal ins Internet.
Nicht besprochen wurden damals die CD mit den 24 Capricen von Paganini, die auch heute noch als herausragende Spitzenaufnahme gellten müssen, so groß ist die technische Beherrschung und auch die musikalische Botschaft.
Auch die Einspielungen der Werke des französischen Kammermusikrepertoires (Debussy, Ravel, Auric…) haben wir uns erst jetzt angehört, und diese bleiben im Vergleich etwas zurück, denn ihnen fehlt wohl das Typisch Französische.
Bei Mozart ist Zimmermann schon eher zuhause, das zeigt er in den Konzerten, aber auch in den Sonaten die er mit Alexander Lonquich aufnahm und die immer noch zu den Referenzeinspielungen zu zählen sind. Sehr schön sind auch die Mozart-Quartette mit Christian Zacharias am Klavier, Tabea Zimmermann an der Bratsche und Tilmann Wick am Cello. Es sind dialogreiche, sehr elegante und stimmungsvolle Interpretationen.
Etwas aus dem gewohnten Qualitätsrahmen fallen die Einspielungen von Violinkonzerten von Bach mit dem English Chamber Orchestra unter Jeffrey Tate, Beethovens Tripelkonzert, zwar sehr einfühlsam bei den Solisten, aber sehr uneinheitlich weil schwach auf Orchesterseite (English Chamber unter Saraste), und vor allem der Mendelssohn-Konzerte auch da nicht wegen dem technisch einmal mehr hervorragenden Zimmermann, sondern wegen der uninspirierten Interpretation des Orchesterparts durch das Berliner Radio Symphonieorchester unter Gerd Albrecht
Nachfolgend können Sie nun die bei den Erstveröffentlichungen erschienenen Rezensionen lesen.
A. Mozart: Konzerte für Violine und Orchester Nr. 5 und Nr. 3; Frank Peter Zimmermann, Württembergisches Kammerorchester Heilbronn, Jörg Faber; Aufnahme 1984 – Rezension von Remy Franck
Mit Mozarts Violinkonzerten Nr. 3 und 5 gibt ein 19-jähriger Violinist sein Schallplatten-Debüt für EMI: Frank Peter Zimmermann, der in der Bundesrepublik als die große Entdeckung gefeiert wird. Dass dem so ist, verwundert nicht: einen großen deutschen Geiger hat es lange nicht mehr gegeben. Umso größer ist die Hoffnung, die jenseits der Mosel in Zimmermann gesetzt wird. Gar nicht zu Unrecht übrigens, denn der junge Musiker, ein Schüler von Saschko Gavrilov, verfügt nicht nur über eine einwandfreie Technik, sondern auch über jede Menge Sensibilität. Hauptmerkmal seiner Mozart-Interpretationen ist ein intensives kraftvolles Spiel, das – unaffektiert und ohne Manierismen – Mozart aber auch überhaupt nicht verweichlicht. Freilich: bei so viel Leuchtkraft benötigt ein Musiker keine Effekthascherei, um sein Spiel zur Geltung zu bringen. Ob nun aus Überzeugung heraus, oder vielleicht wegen noch fehlenden Interpretationsmöglichkeiten: Zimmermann ist zumindest in den vorliegenden Werken ein selbstlos dienender Solist und als solcher heute schon beinahe eine Ausnahmeerscheinung. Eine in mancher Hinsicht interessante Schallplatte, auf welcher auch das Württembergische Kammerorchester einen guten Eindruck hinterlässt.
Jean Sibelius: Violinkonzert op. 47; Serge Prokofiev: Violinkonzert Nr. 2; Frank Peter Zimmermann, The Philharmonia, Mariss Jansons; Aufnahme 7/91 (58’48) – Rezension von Remy Franck
Dass mit Frank Peter Zimmermanns ebenso virtuosem wie betörend intensivem Geigenspiel das Sibelius-Konzert zu einem besonderen Genuss werden würde, stand zu erwarten. Hinzu kommt, dass er in Mariss Jansons einen kongenialen Partner gefunden hat, um mit ihm zu einer spürbar harmonischen Interpretation zu finden. Da fließt Blut in den Adern. Da spürt man den Atem des Lebens. Da hört man Farben, wie sie die Natur satter nicht fertigbringt. Gewiss, wir sind weit entfernt von der Eleganz und den raffinierten Klangspielereien Karajans, aber das kräftige, pulsierende Spiel des Philharmonia schafft eine atmosphärische Dichte, die dem Konzert ein ganz besonderes Espressivo verleiht.
Nicht weniger reizvoll erklingt hier das 2. Prokofiev-Konzert, das vom Geiger sowohl großes technisches Können als auch Kantabilität verlangt. Das Werk ist demnach wie geschaffen für Zimmermann, der zusammen mit Jansons und dem Philharmonia eine wirkungsvolle Einspielung realisierte. Es gelang wohl selten einem Geiger, die bizarren Tanzrhythmen und die lyrischen Partien dieses Konzerts so überzeugend homogen zu gestalten, dem Opus 63 eine derart geschlossene Form zu geben
Antonin Dvorak: Violinkonzert; Alexander Glazunov: Violinkonzert; Frank Peter Zimmermann, London Philharmonic, Franz Welser-Möst; Aufnahme 04.1993 (51’52) – Rezension von Remy Franck
Bezaubernd romantische Poesie und slawische Leidenschaft prägen sowohl Dvoraks Violinkonzert als auch jenes von Glazunov, dessen brillanten Solopart Heifetz einst so umwerfend virtuos spielte. Frank Peter Zimmermann steht seinem alten Kollegen in nichts nach: seine Interpretationen der beiden Konzerte sind von faszinierender Ausdruckskraft, spannungsvoll auch noch in der unbedeutendsten Nebenphrase, und von einer stets vom Intellekt gesteuerten Fantasie. Bei all dem ist dann der Geigenton noch so slawisch, dass man von einer bis ins letzte Detail perfekten Darstellung sprechen muss. Welser-Möst begleitet sehr aufmerksam und unterstützend; das London Philharmonic macht seinem guten Ruf alle Ehre. Eine Top-Einspielung mit einem optimal transparenten und bestens ausbalancierten Klang. Bessere Interpretationen der beiden Konzerte sind derzeit wohl nicht auf dem Markt.
Camille Saint-Saëns: Violinkonzert Nr. 3; Symphonie Nr. 3 (Orgel-Symphonie); Frank Peter Zimmermann, Oslo Philharmonic Orchestra, Mariss Jansons; Aufnahme 01.1994 (63’17) – Rezension von Remy Franck
Französische Eleganz allein mag Mariss Jansons offensichtlich nicht. Daher erarbeitete er zusammen mit Frank Peter Zimmermann ein aus der Seele kommendes Violinkonzert und eine hypernervöse Orgel-Symphonie. Dem Adagio im ersten Satz lässt Jansons ein furioses Allegro (moderato) folgen. Dabei geht es ihm nicht um heroische Steigerungen, sondern um direkt übertragbare Energie und Vitalität. Seine Fähigkeit, einen Aufbau, eine spannungsgeladene Steigerung zu erzielen, stellt Jansons im langsamen Schlussteil des ersten Satzes exzellent unter Beweis. Der zweite Satz wird äußerst rapide genommen: das ist ein leidenschaftliches Vorwärtsdrängen, ein fast atemloses Hinstürmen zum gewaltigen Orgeleinsatz. Und hier wird’s dann problematisch. Die Spannung ist plötzlich gebrochen, die Orgel klingt im Übrigen nicht schön, fast brutal, die Klangmischung ist nicht homogen und die Erklärung liest man im Kleingedruckten des Texthefts: Die Orchesteraufnahme fand ohne Orgel statt, der Orgelpart wurde von Wayne Marshall zwei Monate später in der Eglise de Saint-Ouen in Rouen aufgenommen. Gegen Schluss kommt dann wieder mehr Stimmung auf und die Symphonie wird brillant zu Ende geführt, aber leider bleibt dann ein Nachgeschmack, der mir nicht gefällt. Das Violinkonzert erfährt eine ebenfalls hervorragende Interpretation. Die Leidenschaft des ersten Satzes wird hier ebenso vermittelt wie die Intimität des zweiten und die Brillanz des dritten. An Zimmermanns Ton kann sich das Ohr laben: Klangfülle, Nuancierungskunst und ein sehr spezielles Timbre geben seiner Geige jene Klangerotik, die weiterdringt als nur bis in das Trommelfell.
Eugène Ysaÿe: Sonates op. 27 + Poème élégiaque op. 12 + Rêve d’enfant pour violon et piano; Frank Peter Zimmermann, Violine, E.M. Strabbioli, Klavier; Aufnahme (79’07) – Rezension von Remy Franck
Dies ist eine CD ohne Schatten. Fast 80 Minuten lang gibt sich Frank Peter Zimmermann Ysaÿe mit Herz und Seele hin, ohne dabei die Kontrolle über seine Gefühle zu verlieren, und ohne es in irgendeinem Moment an Intelligenz fehlen zu lassen. Weit entfernt von der Süßlichkeit, die man von ihnen kannte, gewinnen Ysaÿes Sonaten mit dem deutschen Geiger an Aufrichtigkeit der Gefühle. Die Magie der Farben, die Magie der Nuancen, die Richtigkeit der Intonation, die anhaltende Spannung: Frank Peter Zimmermann hat zweifellos eine sehr große Aufnahme gemacht, die übrigens mit einem wunderschönen Booklet versehen ist.
Robert Schumann: Konzert für Cello und Orchester + Konzert für Violine und Orchester + Manfred-Ouvertüre; Truls Mork, Cello, Frank-Peter Zimmermann, Violine, Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, Hans Vonk; Aufnahmen 1992 & 1994 (66’19’) – Rezension von Remy Franck
EMI vereinigt auf einer CD zwei Schumann-Konzerte sowie die Manfred-Ouvertüre, wobei die Aufnahmen zu diesem Werk und zum Cellokonzert letztes Jahr im Studio, die mit Frank-Peter Zimmermann aber bereits 1992 live in der Kölner Philharmonie entstanden. Zimmermann spielt technisch souverän und wird vom Kölner Orchester sehr aufmerksam begleitet. Insgesamt eine hervorragende Darbietung mit herrlichen Passagen, die freilich von Truls Mork tiefschürfender und sehr engagiert gespielter Version des Cellokonzerts noch übertroffen wird. Während Zimmermanns Verdienste vor allem in Sachen Phrasierung und organischem Melodienaufbau liegen, ist Morks Art, in der Entwicklung des Konzerts durch meditatives Verweilen Spannung und Entspannung zu suchen ein faszinierendes Plus. Der Dialog mit dem Orchester ist offenherzig und mündet in einen dramaturgischen Ablauf, der m.E. diese Einspielung in der Referenzbereich hebt.
Wolfgang Amadeus Mozart: Violinkonzert Nr. 3; Johannes Brahms: Violinkonzert op. 77; Frank Peter Zimmermann, Berliner Philharmoniker, Wolfgang Sawallisch; Aufnahme (59’36) – Rezension von Remy Franck
Frank Peter Zimmermann steht nicht für Kraft und Überschwang. Daher wird niemand von seinen lyrischen Interpretationen überrascht sein, die Momente großer Kontemplation, wenn nicht gar Introspektion beinhalten. Ein sehr kohärenter Ansatz, stilistisch ausgereift und in der Umsetzung vollendet. Das klare Spiel des Geigers bewegt sich in einem mittleren Tempo, das durch Wolfgang Sawallischs entspanntes und ausgewogenes Dirigat aufrechterhalten wird. Besonders hervorzuheben sind die Kadenzen, insbesondere die von Joachim im ersten Satz des Brahms-Konzerts.
Johannes Brahms: Doppelkonzert für Violine, Cello und Orchester; Trio für Horn, Klavier und Violine op. 40; Frank Peter Zimmermann, Violine, Heinrich Schiff, Violoncello, London Philharmonic Orchestra, Wolfgang Sawallisch; Marie-Luise Neunecker, Horn; Wolfgang Sawallisch, Klavier; Aufnahme (60’17)
Johannes Brahms: Doppelkonzert für Violine, Cello und Orchester; Felix Mendelssohn: Violinkonzert; Itzhak Perlman, Yo-Yo Ma, Chicago Symphony Orchestra; 1 CD Teldec 0630-15870-2 (58’48) – Rezension von Remy Franck
Hier sind zwei Aufnahmen des Doppelkonzerts, die kontrastreicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite haben wir das Trio Zimmermann, Schiff, Sawallisch mit
einer dichten und lyrischen Lesung, die durch ihre Geschmeidigkeit, Eleganz und Poesie verzaubert. Auf der anderen Seite stehen die Perlman, Ma und Barenboim, die eine nicht minder faszinierende Vitalität und Kraft an den Tag legen. Wie weit entfernt von der Reinheit und Gelassenheit der EMI-Künstler! Das Team von Teldec betont die Kontraste, frischt die Farben auf und verleiht dem Konzert einen jugendlichen Charakter. Es ist schwer, eine Wahl zu treffen, zumal das künstlerische Niveau in beiden Interpretationen extrem hoch ist. Ich bin dennoch der Meinung, dass Yo Yo Ma der bessere der beiden konkurrierenden Cellisten ist. Erwähnenswert ist auch, dass die EMI-CD mit dem Trio für Horn, Klavier und Violine von Brahms endet, einem ziemlich speziellen Werk, das hier mit perfekter Eloquenz und sehr warm wiedergegeben wird. Die Ergänzung des Programms der Teldec-CD ist Mendelssohns Violinkonzert. Barenboim und Perlman zeigen in diesem Werk eine außergewöhnliche Sinnlichkeit und kommunikative Wärme. Perlmans strahlendes, liebliches Spiel und der feste Klang, den er erzeugt, sind ein großer Pluspunkt.
Kurt Weil: Konzert für Violine und Blasorchester; Symphonie Nr.2, Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (Suite); Frank Peter Zimmermann, Berliner Philharmoniker, Mariss Jansons; 1 CD EMI Classics 5 56573-2; 2+3/97 (70’44) – Rezension von Remy Franck
Wenn man Kurt Weills Werke dreiteilt (das expressive im Bereich der E-Musik anzusiedelnde Oeuvre, die Brecht-Stücke und die Broadway-Musik) dann kommen wir hier immerhin mit zwei dieser Bereiche in Kontakt.
Die zweite Symphonie ist für Weil in ihrem neoklassizistischen Zuschnitt ein eher “braves” Werk, aber vollgestopft mit praller Musik. Sie wurde 1934 von Bruno Walter in Amsterdam uraufgeführt. Mariss Jansons gestaltet dieses Werk ungemein zwingend, sehr spannungsvoll und mit herausragender Dosierungskunst.
Das wesentlich moderne, 1925, bei seiner Uraufführung avantgardistische Violinkonzert ist ein herrliches und viel zu selten gespieltes Werk, in dem Weill herrliche Klangkombinationen gelangen. Zimmermann und Jansons wissen dies stimmungsvoll umzusetzen, mit einer verblüffenden Transparenz und Farbenvielfalt.
Die aus dem Brecht-Songspiel ‘Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny’ gezogene Suite beschließt in einer fulminanten, hochdramatischen Version diese empfehlenswerte CD.
The Ligeti Project III – G. Ligeti: Cellokonzert, ‘Clocks and Clouds’, Violinkonzert, ‘Sippal, dobbal, nádihegedüvel’; Asko Ensemble & Schönberg Ensemble, Cappella Amsterdam, Reinbert de Leeuw (Leitung), mit Siegfried Palm (Cello), Frank-Peter Zimmermann (Violine), sowie Katalin Károlyi (Mezzosopran) und Amadinda Percussion Group; 1 CD Teldec Classics 8573-87631-2; 2002 (67’15) – Rezension von Guy Wagner
Bereits kurz nach der Veröffentlichung von ‘The Ligeti Project II’, das wir mit Begeisterung in der letzten ‘Pizzicato’-Nummer begrüßt hatten, liegt CD III vor. Und so darf man denn jetzt getrost davon ausgehen, dass eines der wichtigsten Projekte für zeitgenössische Musik, das bei Sony Classical György Ligeti Edition (1996-1999) begonnen und 2001 von Teldec ‘gerettet’ wurde, zu einem glücklichen Abschluss geführt werden wird. Es stellt eine musikalische Ehrenrettung der krisengeschütteten Schallplattenedition dar.
‘The Ligeti Project III’ ist zum Kompendium des Komponisten geworden. Als erstes Werk ist das zweisätzige Cellokonzert von 1966 aufgenommen, das beispielhaft für den ‘frühen’ Ligeti ist in seiner doppelten widersprüchlichen Bestrebung, statische Klangflächen im ersten (mit I bezeichnet) Satz gegen auswildernde Klangmontagen in II zu stellen: Eigentlich ‘Atmosphères’ gegen ‘Aventures’! Solist ist Widmungsträger Siegfried Palm, der bereits die Uraufführung gespielt hatte, und da es bei Wergo noch deren Mitschnitt (RSO Berlin, Michael Gielen) gibt, lohnt sich der Vergleich. Welch ein Unterschied zwischen der Gelöstheit und gewitzten Entspannung und der damaligen Strenge und Rigorosität!
Es folgt eine Ersteinspielung: ‘Clocks and Clouds’ von 1973 für zwölf Frauenstimmen und Orchester. Das Werk beruht aber auf einem ähnlichen Kontrastsystem wie das Cellokonzert und geht auf einen Aufsatz von Karl Popper zurück, der sich auseinandersetzt mit exakt bestimmten Abläufen (Uhren) einerseits, sowie Prozessen, die nur verallgemeinert erfassbar sind (Wolken) andrerseits. Ligeti setzt diese Antagonismen um in pulsierende, metrische Bewegungen contra mikrotonale, diffuse Timbres und Klangballungen. Die Leistung der Cappella Amsterdam und des Doppelensembles Asko-Schönberg unter Reinbert de Leeuw ist phänomenal.
Das fünfsätzige Violinkonzert (1990/1992), das auf eine Inspiration von Saschko Gawriloff zurückgeht und in der ebenfalls Mikrointervalle vorherrschen, dokumentiert Ligetis Willen, die temperierte Intonation zu verlassen und sie durch umgestimmte Streicher (scordatura) und Flöten und Okarina mit ungenauer Tonhöhe zu ‘verschmutzen’, wie er es nennt (cf. 2. Satz), um so neue ‘harmonische Spektren bauen’ zu können. Er greift dazu auch auf traditionelle Formen wie Aria, Hoquetus, Choral oder Passacaglia zurück. So kann er seiner Tonsprache eine neue formale Konsistenz geben. Durch die magistrale Leistung von Frank Peter Zimmermann, sowohl was seine überragende und überlegene Virtuosität als was sein Werkverständnis angeht, kommt man aus dem Staunen nicht heraus, und wiederum ist die Partnerschaft mit dem Asko/Schönberg-Ensemble perfekt: Allein schon die Darstellung des 2. Satzes würde den Ankauf der CD rechtfertigten.
Zum Abschluss, eine weitere Ersteinspielung: sieben kurze Lieder nach Dichtungen von Sándor Weöres, einem Landsmann Ligetis: ‘Síppal, dobbal, nadihegedüvel’ (Mit Pfeifen, Trommeln, Schilfgeigen), entstanden 2000, mit Katalin Károlyi und dem Amadinda Percussion Group. Diese vokalen Miniaturen spiegeln eine neue verspielte, skurrile und zugleich wunderschön einfühlsame, klangmagische Welt vor. Geradezu einzigartig die Kombination der zugleich naiven und raffinierten Stimme der Solistin mit vier Mundharmonikas in ‘Alma álma’ (Traum): Es entsteht eine poetische Traumwelt, der es aber nie an Zwiespältigkeit fehlt, wie das für eine irreale und surreale Welt ebenso der Fall ist wie für die wirkliche.