Und wieder haben sich Musiker zusammengefunden, die außerhalb der Orchester, in denen sie spielen, eine neue Qualität erreichen wollen. Das ‘Klangkollektiv Wien’ setzt sich zusammen aus Instrumentalisten der Wiener Philharmoniker, der Wiener Symphoniker und der Niederösterreichischen Tonkünstler. Kein sogenanntes Originalklang-Ensemble also, sondern eines, das erklärterweise mit dem Franzosen Rémy Ballot die gespielten Werke auf modernen Instrumenten in ein neues und frisches Licht stellen will.
Dabei fallen in allen Äußerungen und auch im Textheft die Worte ‘Schönheit’ und ‘Perfektion’. Das ist die Leitlinie des Ensembles, dessen Musiker übrigens vorerst einmal unentgeltlich spielen und ihre Aktivitäten durch Crowdfunding finanzieren.
Zwei Schubert-Symphonien, die Erste und die Achte, die Unvollendete, haben sie für Gramola aufgenommen. Die Erste fließt ganz natürlich, wirklich schön, detailreich und gut durchartikuliert und trägt somit Schuberts Erweiterung der symphonischen Form gut Rechnung.
Doch das wirklich Ereignishafte der CD ist die Achte, deren tragischen Charakter Ballot und seine Musiker bewegend herausarbeiten. Die Streicher machen Schuberts Melos zu ihrer Sache und werden dabei von fabelhaften Bläsern unterstützt. Bedrohlich düster klingt der Beginn, gebremster Schwung scheint dramatische Ereignisse anzukündigen. Der Optimismus, den andere Dirigenten hier gezeigt haben, ist bei Ballot nicht zu vernehmen. Das erlaubt es ihm, danach die Situation beunruhigend zu steigern und das Drama mit Klangwellen flutwellenartig über den Hörer hereinbrechen zu lassen. Leises Wehklagen folgt, Resignation macht sich breit, jeder Versuch, wieder Schwung in die Musik zu bekommen wird erbarmungslos niedergedrückt.
Weil er die Dynamikanweisungen der Partitur im Andante sehr genau umsetzt, erreicht Ballot auch darin ganz bewegende Momente. Das ist ein Musizieren, dem sich der Hörer ganz hingeben muss, das er mit den Musikern teilen muss, um nachzuvollziehen, welchen Quantensprung Schubert mit dieser Musik gemacht hatte, welche Türen er aufgestoßen hatte und welch eine Aussagekraft er den beiden Sätzen gegeben hat.
Was die Geigen hier flüstern, ist ganz klar. Schubert mag es in seinem Inneren gehört haben, um zur Schlussfolgerung zu kommen, dass, wie Guy Wagner einmal schrieb « die beiden abgeschlossenen Sätze in sich so abgerundet waren, dass sie keine weitere Ergänzung brauchten. » Diese ‘Abrundung’ wurde nicht oft so überzeugend realisiert wie in dieser Neueinspielung, nach deren Ende Stille wirklich gut tut.