Antonio Vivaldi: Le Quattro Stagioni - Marin Marais: Prélude (3. Akt aus Alcyone) - Lydarlått (Sør-Aurdal, traditionelles Volkslied aus Valdres) - Fanteladda (Springar, traditionelles Volsklied aus Valdres) Røyskatten (Halling, traditionelles Volsklied aus Valdres) - Agnes Ida Pettersen: Fantasi für Hardangerfiedel und Barockensemble); Ragnhild Hemsing, Violine, Barokkanerne; # Berlin Classics 0303416BC; Aufnahme 02.2024, Veröffentlichung 18.10.2024 (54'38) – Rezension von Uwe Krusch ** (For English please scroll down)

Es geht um die Jahreszeiten von Vivaldi. Und doch auch nicht? Diese Aufnahme ist besonders für diejenigen, die der üblichen gleichen Lesart dieser so oft gespielten Concerti überdrüssig sind. Und die Einspielung ist nicht für diejenigen, die sich bei Musik nur entspannen wollen.

Die Besonderheiten sind zahlreich. Barokkanerne spielt solistisch besetzt mit sieben Musikern für ebenso viele Stimmen. Vor allem aber spielt Ragnhild Hemsing ihrer Herkunft aus der Region Valdres in Südnorwegen entsprechend auf einer Hardangerfiedel. Und sie verknüpft die vier Konzerte von Vivaldi mit Volksmusik aus dieser Region rund um den Ort Fagernes, wo diese Musik nach wie vor lebt. Dabei hat sie Gemeinsamkeiten, wie eine reiche Skala an Verzierungen und Improvisationen, die Melodienseligkeit und auch den rhythmischen Schwung, aber auch Unterschiede wahrgenommen.

Aus diesen Komponenten entwickelt sie eine Sicht, die mit dem anderen Klang und den abweichenden Spielmöglichkeiten der Hardangerfiedel gegenüber der Violine neue Eindrücke vermittelt und auch andere Möglichkeiten, etwa bei Verzierungen, nahelegt. Im Kontext mit den jeweils nach einem Konzert von Vivaldi aufgenommenen Volksstücken kann man die Gemeinsamkeiten und auch die Unterschiede heraushören.

Für so eine Kombination mag man sich auch daran erinnern, dass Barockkomponisten meist die Noten nur als Gerüst vorgaben und jeder Spieler Verzierungen à la mode machte. Und Vivaldi wollte etwa im Winter die Ketten von Sechzehntelnoten nicht als mechanisch sture Abfolge verstanden wissen, sondern mit Unregelmäßigkeiten und schabenden Klängen das Zittern vor Kälte ausdrücken. Diese Freiheiten in der Handhabung finden ihre Entsprechung in der Volksmusik, so dass diese Verbindung nicht abwegig erscheint.

Für Ragnhild Hemsing hat sich diese Welt sozusagen spielerisch eröffnet, da sie seit ihrer Kindheit auch mit der Volksmusik eng verbunden ist. So bildete sich die Brücke, die hier mit einem modernen Werk für diese Besetzung von Agnes Ida Pettersen ihren Abschluss findet, für sie ganz natürlich. Das Kammerensemble Barokkanerne ist als ebenfalls mit diesem Metier vertraute Gruppe der ideale und versierte Unterstützer.

Das umfangreiche Beiheft zu den Ideen von Hemsing, zur Barockmusik in Norwegen und noch zusätzlich zu den Werken ergänzt diesen Ansatz sehr informativ.

It’s about Vivaldi’s Seasons. And yet not? This recording is especially for those who are tired of the usual identical readings of these concerti that are so often performed. And the recording is not for those who just want to relax to music.

The special features are numerous. Barokkanerne plays with seven soloists for as many voices. Above all, however, Ragnhild Hemsing plays a Hardanger fiddle in keeping with her origins in the Valdres region of southern Norway. And she combines Vivaldi’s four concertos with folk music from this region around the town of Fagernes, where this music still lives on. In doing so, she has identified similarities, such as a rich range of ornaments and improvisations, the melodiousness and also the rhythmic drive, but also differences.

From these components, she develops a vision that conveys new impressions with the different sound and the different playing possibilities of the Hardanger fiddle compared to the violin and also suggests other possibilities, for example in ornamentation. The similarities and differences can be heard in the context of the folk pieces recorded after each Vivaldi concerto.

For such a combination, one might also remember that baroque composers usually only provided the notes as a framework and each player made ornaments à la mode. And Vivaldi, for example, did not want the chains of sixteenth notes in winter to be understood as a mechanically rigid sequence, but rather to express the shivering from the cold with irregularities and scraping sounds. These liberties in handling find their counterparts in folk music, so that this connection does not seem far-fetched.

For Ragnhild Hemsing, this world opened up playfully, so to speak, as she has been closely associated with folk music since her childhood. So the bridge that ends here with a modern work for this instrumentation by Agnes Ida Pettersen came naturally to her. The chamber ensemble Barokkanerne, also familiar with this métier, is the ideal and experienced supporter.

The extensive booklet on Hemsing’s ideas, on baroque music in Norway and also on the works complements this approach very informatively.

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