Manchmal finden sich in Beiheften auch bemerkenswerte übernatürliche Erscheinungen. So wird das Werk Introduktion et Tarantella von Pablo de Sarasate mit dem Kompositionsjahr 1899 angegeben, die Lebensdaten des Komponisten aber kurzerhand ins Barock verfrachtet, nämlich 1690 bis 1768 statt 1844 bis 1908. Aber das eigentlich Spannende ist der Überblick über das Kammermusikspiel des Protagonisten Ruggiero Ricci. Dabei agieren auch würdige Begleiter am Piano, wie etwa Carlo Busotti, der Virtuose und Pädagoge war.
Die weitgespannten Aufnahmen reichen vom Barock mit Veracini bis Ernest Bloch und decken damit beinahe alle Epochen ab. Auch die Aufnahmedaten von 1952 bis 1986 überspannen eine weite Strecke und von Studio bis Livemitschnitt. Der wenige Text im Beiheft deutet dann noch an, dass Ricci mit seinem Eintreten für die Musik von Paganini ebenso wie Uraufführungen von unter anderem Konzerten von Flury, Ginastera, von Einem und Carlos Veerhoff bis in seine musikalische Gegenwart aktiv war. Dazu passt auch sein Bonmot, ein Spezialist wäre jemand, der alle Musik außer der einen nicht spielen könne.
Als Lehrer hatte er anfangs Louis Persinger, der ihn an Fritz Kreisler empfehlen wollte, doch Ricci wählte Georg Kulenkampff und damit eine deutschen Stil, der sein Spiel mit prägte. Hört man sich seine Aufnahmen an, so finden sich sowohl Interpretationen, die heute nicht mehr als adäquat angesehen werden. Dazu gehören die zweite Solosonate und die Duosonate Nr. 3 BWV 1016 von Bach, die mit, nennen wir es freiem rhythmischem Antritt und deutlichem Vibrato auffallen. Wobei auch diese Denkensart nicht völlig aus dem Ruder läuft, wie man bei anderen auch schon wahrnehmen musste. Im Unterschied dazu aber erfährt die erste Solosonate von Bach, übrigens hier Riccis früheste Bacheinspielung, eine durchaus hörenswerte Deutung.
Die erste Prokofiev-Sonate erklingt mit einem mit delikatester technischer Finesse gespielten ersten Satz und einem folgenden robusten Allegro brusco, wobei die Sonate alles in allem recht zurückgenommen erscheint. Die erste Sonate von Bloch dagegen wird mit aller Heftigkeit ausgekostet. Die beiden Beethoven- und die Brahms-Sonaten zeigen Ricci als die Linien der klassischen Epoche ausdrucksvoll und geschliffen darbietenden Musiker mit immer feurigem Spiel. Zündend und nochmal die unnachahmliche technische Brillanz auch des Pianisten, hier Ferenc Rados, herausstellend erklingt auch die Saint-Saëns-Sonate und die virtuose, farbintensive und auch noch geistreiche Tzigane.
Das Nachbearbeiten der Aufnahmen, mit Belassen von Applaus bei Konzertaufnahmen, hat störende Geräusche minimiert, ohne der Atmosphäre zu schaden. Natürlich werden neben Le streghe in der Bearbeitung von Kreisler auch zehn der Capricen von Paganini geboten, so dass der Einsatz von Ricci für die Werke von Paganini seinen Anteil hat.
Diese umfangreiche Sammlung spricht sicherlich in erster Linie Geigeninteressierte an. Aber dank der guten Aufbereitung, der Vielseitigkeit der Auswahl und der durchaus mehr als beachtenswerten Interpretationen insgesamt verdient sie darüber hinaus viele Freunde.