Franz Schubert: Sonate D. 960 + Drei Klavierstücke D. 946 + Moments Musicaux D. 780; Dina Ugorskaja, Klavier; 2 CDs CAvi 8553107; Aufnahme 08/2018 & 01/2019, Veröffentlichung 11/10/2019 (110') - Rezension von Alain Steffen
Am 17. September 2019 ist die phänomenale Pianistin Dina Ugorskaja nach einer Krebserkrankung im Alter von 46 Jahren gestorben. Knapp einen Monat später veröffentlicht Ugorskajas Plattenfirma ihren Schwanengesang mit Werken von Franz Schubert.
Wie bei ihren anderen Aufnahmen mit Werken von Bach, Beethoven und Schumann geht die Pianistin auch bei Schubert einen ungewöhnlichen Weg. Nichts ist selbstverständlich, Schuberts Musik wird aus dem Alltäglichen quasi herausgerissen. Selbst wer die B-Dur-Sonate schon hundertmal gehört hat, wird hier mit einer Intensität konfrontiert, die zuerst einmal sprachlos macht. Dina Ugorskajas akzentreiche, aber sehr langsam gespielte Interpretation mag manchmal durch brachiale Anschläge erschrecken, und ihre Art, Schuberts Musik quasi aus einem Block heraus zu meißeln, entspricht so ganz und gar nicht dem romantischen, schönen Bild, das wir von diesem Werk haben und das auch von vielen Interpreten mit himmlischen Klängen versehen wird.
Bei Ugorskaja ist Schuberts Sonate nicht schön, aber ehrlich, zerrissen, unruhig und oft sehr, sehr traurig. Vor allem aber nimmt die Pianistin sich Zeit, jede Note ins rechte Licht zu rücken. Es ist eine intensive und beunruhigende Interpretation, die ihresgleichen sucht.
Die Klavierstücke und die Moments Musicaux sind quasi Miniaturen dagegen. Dinah Ugorskaja aber versteht die Kunst, gerade in dieser kleinen Form einen wunderbar reichen Musikkosmos entstehen zu lassen. Auch hier distanzieren sich die brüchig und z.T. trotzig gespielten Stücke von dem gediegenen Mainstream. Ugorskajas Interpretationen bleiben aber immer prägnant, einzigartig im Ausdruck, manchmal gnadenlos intensiv, so klar und dann doch nicht zu fassen. Sie schenken dem Hörer ein intensives Erlebnis außerhalb von Raum und Zeit. Die letzte musikalische Großtat einer wunderbaren Interpretin!
On September 17, 2019, the phenomenal pianist Dina Ugorskaja died of cancer at the age of only 46. Less than a month later Ugorskaja’s record company releases her swan song with works by Franz Schubert. As with her other recordings of works by Bach, Beethoven and Schumann, the pianist takes an unusual path with Schubert. Nothing is taken for granted, Schubert’s music is far from any mainstream performances. Even those who have heard the Sonata in B flat major a hundred times are confronted here with an intensity that at first will leave them speechless. Dina Ugorskaja’s interpretation, which is rich in accents but played very slowly, may at times be frightening by brute force, and her way of shaping Schubert’s music out of one block, so to speak, does not correspond at all to the romantic, beautiful image we have of this work, which is also provided with heavenly sounds by many performers.
Ugorskaja Schubert’s sonata is not beautiful, but honest, torn, restless and often very, very sad. Above all, however, the pianist takes the time to put every note in the right light. It is an intense and disturbing interpretation that is unparalleled.
The piano pieces and the Moments Musicaux, on the other hand, are quasi miniatures. But Dinah Ugorskaja understands the art of creating a wonderfully rich musical cosmos in this small form. Here, too, the brittle and sometimes defiantly played pieces are all but mainstream. But Ugorskaja’s interpretations always remain concise, unique in their expression, sometimes mercilessly intense, clear and yet intangible. For the listener they provide an intense experience outside space and time. The last great musical achievement of a wonderful performer!