Die Aufnahme mit zwei beinahe gleich langen Werken von jeweils knapp 40 Minuten, der einaktigen Oper ‘Wovon die Menschen leben’ und der Ersten Symphonie, von Bohuslav Martinu könnte man als das musikalische Vermächtnis des Dirigenten Jiri Belohlavek ansehen. Er hatte noch weitere Aufnahmen des orchestralen Werks von Martinu geplant, wurde aber durch seine schwere Krankheit endgültig davon abgehalten.
Die Oper wurde zu Lebzeiten des Komponisten, soweit bekannt, nur in der Klavierfassung aufgeführt. Anfang der 1950-er komponiert und mit seiner eigenen englischen Übersetzung versehen, behandelt sie die Kurzgeschichte von Tolstoi ‘Wo die Liebe ist, da ist auch Gott’. Erzählt wird von dem einsamen, verwitweten Schuster, der die Lebensfreude neu entdeckt, als er beginnt, für andere zu leben anstatt zu grübeln. Zu Beginn erkennt er seine Nachbarn nur durch die Schuhe, die jeden Tag in seiner Werkstatt vorbeiziehen. Martinu ergänzt diese Isolation mit einem erstaunlich viel beschäftigten kleinen Mädchen. Als sein Freund ihm vorschlägt, in der Bibel Trost zu suchen, hört unser Protagonist eine ätherische Stimme, die verspricht, ihn am nächsten Tag anzurufen. Während er fieberhaft auf übernatürliche Besuche wartet, unterstützt er Menschen in Notsituationen und merkt, dass dies alles Manifestationen des Göttlichen sind. Ist die Erzählung auch etwas didaktisch, so erklingt Martinus Musik mit volkstümlicher Vitalität, die mit ansteckenden Melodien verziert ist. Der Schwerpunkt liegt auf der Wiederentdeckung der Lebensfreude statt auf Frömmigkeit um ihrer selbst willen.
Belohlavek hat für seine Einspielung die Balance zwischen feierlicher Religiosität und rustikaler Energie gefunden. Bukolik, Keuchhörner im Morgengrauen der frigiden kleinen Werkstatt oder die pikante Mundharmonika des frechen Apfeldiebs zeugen von dieser Durchdringung. Die Gesangssolisten fangen genau die Sprachqualität ein, die Martinu perfektionieren wollte. Dass die englische Aussprache besonders von Ivan Kusnjers Martin eigenwillig ist, trägt hier zur allgemeinen Atmosphäre und zum Charme bei.
Die Sprechrolle übernimmt der Konzertmeister der Tschechischen Philharmonie, Josef Spacek, dessen amerikanischer Akzent sich auch zur Entstehungsgeschichte des Stücks fügt. Dieser Akzent findet sich dann noch in der Musik; besonders gegen Ende, wo sie von Blitzen von Copland und Bernstein illuminiert wird. Obwohl der Gesamtcharakter unverkennbar tschechisch ist, scheinen daneben auch Annäherungen an Britten auf.
Die Oper wird hier mit einer ebenso treffenden Interpretation der Symphonie gepaart. Das ist eine gute Wahl, da die Symphonie mit einem auffälligen aufsteigenden Thema beginnt, das das Finale der Oper ergänzt. Martinu stieß mit seiner Ästhetik der spätromantischen Musik gegen die herrschende Musikrichtung in Europa. In den USA erfreute sich sinfonische Musik dagegen großer Beliebtheit. Martinu, nahm den Auftrag von Serge Koussevitsky gerne entgegen. Nach den Schwierigkeiten bei der Entstehung der Einführung floss der Rest der Symphonie so aus der Feder. Aufgrund dieser Leistung wäre die Serie, die nicht mehr zustande kam, sicherlich außerordentlich geworden.
Die Aufnahme von Belohlavek mit der Tschechischen Philharmonie ist die erste professionelle Aufnahme dieser bewegenden Oper und die erste aufgeführte Orchesterfassung wohl auch. Sie kann helfen, die Aufmerksamkeit von Opernkompanien wiederzuerlangen. Der 2017 verstorbene Dirigent Jiri Belohlavek war weltweit einer der bedeutendsten und engagiertesten Botschafter der tschechischen Musik, insbesondere auch seines Landsmanns Bohuslav Martinu.
Neben der Leistung des Dirigenten sind sowohl der famose Auftritt des Orchesters als auch die Darbietungen der Sprecher und Sängerriege ausgezeichnet. So ist auch Dank der technischen Realisation eine rundum gelungene Besonderheit entstanden, der man viele Freunde wünscht.