Schon bevor man die CDs auflegt, fällt auf, dass Carmignola auf der ersten CD die drei Sonaten und auf der zweiten die drei Partiten spielt. Alle anderen Aufnahmen, die ich kenne, nehmen die beiden Werkreihen immer abwechselnd auf, so dass auch die Laufzeiten beider CDs gleichmäßiger verteilt sind.
Bei dieser aktuellen Anordnung fällt die stärker formale jeweils viersätzige Struktur der Sonaten gegenüber den fünf bis acht Sätzen der Partiten ebenso auf, wie die anderen Charaktere, eben Tanzformen bei den letzteren.
Bei der Interpretation durch Giuliano Carmignola hat man den Eindruck, dass er die Sonaten in Form der Sonata da chiesa sehr bewusst in einer strengeren Lesart interpretiert als die Partiten in Form der Sonata da camera, die er mit einer größeren Lebendigkeit und mit leichterer Hand, man möchte fast sagen mit italienischer Lebensfreude, gestenreich wie gewellte toskanische Landschaften in der milderen Abendsonne anlegt.
Während die Sonaten wie eine vertrocknete italienische Herbstlandschaft daherkommen, entwickeln sich bei den Partiten auch frühlingshaft frische Phasen, die wie leuchtende Farbtupfer in einer gut gepflegten gleichmäßigen Rasenfläche wirken. Nach all den überzeugenden Aufnahmen dieses technisch zweifellos stupenden und sonst auch interpretatorisch gestaltungssicheren Geigers sind die hier vorgelegten Sichten auf Bach überraschenderweise weniger überzeugend. Insbesondere könnte man sich eine abwechslungsreichere Gestaltung vorstellen. Die Musik von Bach ist zutiefst Barock und auch zutiefst eigen und erfordert einen eigenen Zugang.