Dmitrij Kitajenko wollte seinen Tchaikovsky-Zyklus beim Gürzenich-Orchester mit ‘Iolanta’ (Jolanthe), der letzten Oper des Komponisten krönen. Das Krönungsfest in der Kölner Philharmonie war mehr als nur gelungen, es war ein opulenter, musikalisch bewegender Opernabend auf höchstem Niveau. Ein Ensemble ohne Fehl, ein Orchester, das Kitajenkos Dirigat zu hundert, wenn nicht mehr Prozent umsetzte, ein guter Chor…die Bedingungen waren ideal für den Dirigenten, der mit einer ungeheuren Konzentration alle Fäden in der Hand hielt und so seine Vision dieser romantischen Märchen-Oper mit Happy End realisieren konnte. Nun ist der Live-Mitschnitt auf Oehms Classics erhältlich.
Die Aufnahme ist ein nachhaltiges Bekenntnis Kitajenkos zu der Oper ‘Iolanta’, die leider immer noch ein Mauerblümchen-Dasein fristet, trotz ihrer so positiven Handlung – über den Märchencharakter hinaus ist sie im Grunde ja metaphorisch ein wunderbares Bekenntnis zur Kraft der Liebe – und trotz ihrer wunderschönen Melodien. Tchaikovsky schuf mit dieser Oper ein bemerkenswert gut gemachtes Werk, dessen Orchestrierung überaus fein ist und immer den nötigen Raum für die Solostimmen schafft. Gustav Mahler hat sich nicht ohne Grund für ‘Iolanta’ eingesetzt, eine Oper, die er immer in seinem Repertoire hatte.
Die Geschichte der blinden Prinzessin Iolanta, die durch Liebe sehen lernt, ist unkompliziert. Sie wird von König René in einem geheimen Garten von der Außenwelt abgeschirmt und weiß nicht, dass sie blind ist. Der maurische Arzt Ibn Hakia teilt dem König mit, er könne seine Tochter nur heilen, wenn sie um ihre Behinderung wisse und selbst den Willen habe, geheilt zu werden. Dass sie blind ist, erfährt sie schließlich von dem Mann, der sie später heiraten wird, Prinz Vaudrémont. Doch Iolanta ist mit Prinz Robert verlobt, der sie noch nie gesehen hat und ohnehin eine andere liebt. Als die Prinzessin dann schließlich geheilt ist, hebt der Vater die vereinbarte Verlobung mit Robert auf und erlaubt die Heirat seiner Tochter mit Vaudrémont. Dem Glück der durch Liebe sehend Gewordenen steht nichts mehr im Weg.
Die junge russische Sopranistin Olesya Golovneva singt eine bewegende Iolanta. In ihrer stimmlichen Darstellung lässt sich der Weg von der Blindheit zum Sehen gut nachvollziehen, weil sich die anfangs fragile Stimme am Ende emotional und dynamisch erhitzt und so glaubhaft vermittelt, dass Iolanta ein anderer Mensch geworden ist. Mit ihrem mädchenhaften Sopran geht Olesya Golovneva völlig in ihrer Rolle auf.
Der ukrainische Tenor Dmytro Popov, bekannt geworden als Gewinner des Domingo-Wettbewerbs, ist eine in allen Hinsichten optimale Besetzung für den Grafen Vaudrémont. Seine Empfindsamkeit und die Strahlkraft seiner von baritonaler Tiefe bis zu strahlender Höhe reichenden Stimme bringen genau die leidenschaftlicher Lyrik zustande, die die Rolle verlangt.
Die stärkste stimmliche Leistung kommt von dem prächtigen Bass Alexander Vinogradov. Der 38-jährige Russe überzeugt nicht nur mit einer schlanken, wunderbar geführten, von schwarzer Tiefe bis in die baritonale Höhe sehr ausgeglichenen und immer gut fokussierten Stimme, er kann auch sehr gut vermitteln, wie sehr König René, der seine Tochter liebt, unter ihrer Behinderung leidet und dabei durch eine falsche Fürsorge mehr Schaden als Nutzen anrichtet.
Der junge ukrainische Bariton Andrei Bondarenko singt einen großartigen Robert von Burgund. Mit seiner feinen, von angenehmem Schmelz gezeichneten Stimme zeigt er viel Gefühl für die Rolle.
Ganz ausgezeichnet sind auch Vladislav Sulimsky als Ibn-Hakia und die israelische Mezzosopranistin Dalia Schaechter, die eine charaktervolle und stimmlich sehr prägnante Martha singt. Die Nebenrollen sind ebenfalls sehr gut besetzt, und so kommen wir zu der eher seltenen Feststellung, dass für diese Aufführung ein Casting ohne jeden Kompromiss gemacht worden ist und sich uns ein Ensemble präsentiert, das in allen Rollen exzellent ist.
Auch der Chor der Oper Köln lässt keine Wünsche offen und das Gürzenich-Orchester Köln Orchester glüht mit Kraft und Expressivität zwischen zartesten, wunderbar abgetönten und kammermusikalisch ausgefeilten Klängen sowie aufrauschenden, dramatischen Fortissimi, immer konzentriert, immer spannungsvoll den Bogen aufbauend vom düsteren Anfang bis zum jubilierenden Schluss.
Der Maître d’œuvre des Ganzen ist natürlich der Dirigent Dmitrij Kitajenko, der nichts dem Zufall überlässt und die ganze Oper hindurch eine totale Kontrolle ausübt. Wer ihn im Konzert beobachtete, sah, wie sich die ganze Musik in seinem Körperausdruck resümierte. Mit Fingern, Händen, Armen, Blicken, Mimik, Schultern und Knien war er für jeden da, fürs Orchester so gut wie für den Chor und die Sänger, denen er nicht nur jeden Einsatz genau vorgab, sondern auch die Vokallinien vorzeichnete. Es ist selten geworden, dass man einen Dirigenten sieht, der sich so sehr um die Sänger kümmert, sie so perfekt trägt. Diese Kunst verlangt die Paarung einer perfekten Beherrschung des Handwerklichen und einer guten Portion Genialität. Nur so kann das Dirigieren über das Technische hinaus eine derartig suggestive Ausstrahlung erlangen, dass ein über hundertköpfiges Ensemble im Gleichtakt der Inspiration des den Gesamtklang homogen formenden Dirigenten funktioniert.
Der ‘Iolanta’ wird also hier eine Interpretation zuteil, in der sich das Schönste in schönster Weise realisiert, als Resultat eines Gestaltens aus dem Innersten des Kunstwerks heraus sowie aus dem spontanen Gefühl eines wahrhaft lebendigen Musizierens. Für diese Oper gibt es derzeit keine bessere Aufnahme. Kitajenkos ‘Iolanta’ ist absolute Referenz.
Seldom one is able to hear such a superb casting with only good singers, everyone being a top choice for his role. But the real hero is Dmitrij Kitajenko whose direction of this beautiful, yet often neglected opera is magnificent. The Cologne forces respond wholeheartedly to his conducting und the recorded sound is great. So, undoubtedly, this Iolanta is the ultimate reference recording of Tchaikovsky’s work.