Die Umstände der Entstehung der sechs Suiten für Violoncello solo von Bach sind unklar. Das betrifft die Entstehungszeit wie auch einen eventuellen Anlass. Diese Rätselhaftigkeit bietet sich für Henrik Dam Thomsen allerdings beim Blick auf die Musik nicht. Er sieht das Tänzerische der Rhythmen und darin eine direkte Ansprache an den Zuhörer und meint, hier einem ungezwungen wirkenden Komponisten zu begegnen.
Für seine Einspielung, der nach langjähriger Auseinandersetzung mit diesen Stücken eine noch intensivere während COVID vorausgegangen ist, hat der Solocellist des Dänischen Nationalen Symphonieorchesters sein Cello mit modernen Saiten und ebensolcher Stimmung behalten. Und schließlich bleibt er im Sinne der Einheitlichkeit des Klangs seinem vertrauten Instrument auch in der sechsten Suite treu, was das Spiel erschwert.
Und um die Interpretation einzuordnen, mag auch Thomsens Zitat aus der Bach-Biographie von J.N. Forkel einen Hinweis geben: « Wenn er [also Bach] starke Affekte ausdrücken wollte, tat er es nicht wie manche andere durch eine übertriebene Gewalt des Anschlags, sondern durch harmonische und melodische Figuren, das heißt: durch innere Kunstmittel.“
Wir erleben eine Interpretation, die die formale Strenge der Komposition jeder Suite und des gesamten Konvoluts ebenso im Blick hat wie die positiv gestimmte Leichtigkeit und das Tänzerische bis hin zum angedeutet volkstümlichen Gestus. Thomsen pflegt einen kernigen, aber immer charmant bleibenden Bogenstrich, der der fließenden Linie den Vorzug vor hervorstechenden Affekten gibt. Dennoch oder gerade deswegen erzielt Thomsen mit dieser Vorgehensweise ein belebtes und erzählreiches Resultat, das zu keiner Zeit spröde oder gar reizlos wäre. Vielmehr erzeugt er einen mitreißenden Gestaltungsfluss, wie man sich einen Meeresstrom im engen im Øresund vor seiner Haustür vorstellen mag.
The circumstances surrounding the composition of Bach’s six suites for violoncello solo are unclear. This applies to the time of composition as well as a possible occasion. However, Henrik Dam Thomsen does not find this enigma when looking at the music. He sees the dance-like nature of the rhythms and a direct address to the listener and believes that he is encountering a composer here who seems at ease.
The principal cellist of the Danish National Symphony Orchestra has kept his cello with modern strings and tuning for his recording, which was preceded by an even more intensive one during COVID after many years of studying these pieces. And finally, in the interests of unity of sound, he remains faithful to his instrument in the sixth suite, which makes the playing more difficult.
And Thomsen’s quote from J.N. Forkel’s biography of Bach may also provide a clue to the interpretation: “When he [i.e. Bach] wanted to express strong emotions, he did not do so, like some others, through exaggerated violence of touch, but through harmonic and melodic figures, that is, through inner artistic means.”
We experience an interpretation that focuses on the formal stringency of the composition of each suite and the entire collection as well as the positive lightness and dance-like quality, even to the point of suggesting a folkloristic gesture. Thomsen cultivates a pithy but always charming bowing style that favors the flowing line over prominent affects. Nevertheless, or precisely because of this, Thomsen achieves a lively and narrative-rich result with this approach, which is never brittle or even unattractive. Rather, he creates a stirring flow, as one might imagine an ocean current in the narrow Øresund on his doorstep.